Die Schaltlogik des Lebens

Der Plan (The Adjustment Bureau, USA 2011, George Nolfi) (PV Filmkunst 66)

Die Kurzgeschichten Philip K. Dicks liefern dem SF-Kino seit Jahrzehnten die interessantesten Impulse – nicht nur, weil die durch ihre mit verschobenen Perspektiven und überraschenden Wendepunkte bestimmten gespickten Texte ohnehin eine besondere Affinität zum Filmerzählen bieten, sondern auch weil die narrativen Strukturen dieser Texte oft ein gewisses Maß an struktureller Selbstreflexivität enthalten. So wäre etwa die „virtual reality“-Erzählung aus „Total Recall“ (Dicks „We Can Remember It For You Wholesale“) auch als Reflexion über die Mechanismen filmästhetischer Wirklichkeitserzeugung oder der Funktion des Mediums Film als Erinnerungs- und Vergessenstechnik zu lesen/sehen. Mit der jüngsten Adaption „Der Plan“ (nach Dicks 1954 erschienener Kurzgeschichte „Adjustment Team“) ließe sich ganz ähnlich verfahren: Sie bebildert nicht nur einen typischer Dick-Stoff über eine „alternative Sicht auf den Lauf des Lebens“, sondern wirft auch Fragen darüber auf, wie Lebensläufe als Erzählung konstruierbar sein müssen, damit sie sich zur Gesamtlogik einer „Geschichte“ konvergent verhalten.

In George Nolfis fabelhaftem Regie-Debüt „Der Plan“ wird das alte Salomon-Sprichwort „Der Mensch denkt und Gott lenkt“ (Sprüche 16,9) in Form einer wirklichen göttlichen Lebenslaufs-Verwaltungsbürokratie verstanden: Ein junger Politiker verliebt sich „außerplanmäßig“ in eine junge Frau und gefährdet dadurch sowohl seine als auch ihre vorherbestimmte Karriere. Das können die Verwaltungsbürokraten nicht zulassen und versuchen den Mann wieder auf den rechten Weg zu bringen. Da sie sich ihm dazu zu erkennen geben müssen (und damit die seit Jahrtausenden währende göttliche „Verschwörung“ aufdecken), bekommt er die Möglichkeit, die Pläne für sich und andere durch deren vorsätzliche Nichtbeachtung aktive zu beeinflussen und zu ändern. Das führt zu zahlreichen weiteren Verwirrungen des großen Plans, der sich mit immer mehr unvorhergesehenen Effekte auflädt. Von hier aus lässt sich das Thema des Films nicht nur auf die Frage „determinierender Filmplot-Entwicklung“ übertragen, sondern natürlich auch auf außerfilmische Diskurse: Die soziologische Theorie etwa untersucht seit Mitte der 1930er-Jahre das Phänomen „unvorhergesehener Folgen zielgerichteter sozialer Handlungen“ (Robert K. Merton) und diese oft als „Emergenzeffekt“ beschriebene Handlungstheorie zeigt bereits deutlich wie das Verhalten im Kleinen mit daraus entstehenden großen Effekten in Zusammenhang steht – und dass eine große, die gesamte Gesellschaft präjudizierende Theorie gar nicht möglich ist, so lange der Einzelne Handlungsfreiheit besitzt. „Der Plan“ entwirft dieses Problem als Liebesfilm – ein wahrlich großartiges Unterfangen, das noch lange nicht beendet ist, wenn der Film vorbei ist!

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»Da steht ein Alien in der Kochnische und macht Bagles und Kaffee!«

Paul – Ein Alien auf der Flucht (Paul, USA 2011, Greg Molotta) (PV Cinemaxx)

Ob das nun wirklich etwas für kleine Kinder ist, wage ich zu bezweifeln; zumindest ist es aber etwas für ganz große Kinder, jene, die sich allgelegentlich auf SF-Conventions herumtreiben, bei Cosplays in den Verkleidungen ihrer Lieblingshelden auftreten und eine Urlaubsreise durch die USA unternehmen, die sie zu den Wegmarken verschwörungstheoretischer Urban Legends führt (Area 51, …) Zwei dieser so genannten „Nerds“ aus Großbritannien unternehmen genau solch eine Reise und gabeln dabei das Alien Paul auf, das vor Wissenschaftlern flieht, die ihm an die Gene wollen, und zurück zu seinen Mit-Aliens will. Paul auf den Fersen ist natürlich ein Geheimdienst und auf dem Weg zum „Fluchtpunkt“ begegnen der gemischten Reisegruppe allerlei Skurrilitäten und skurrile Typen. Darunter eine bibeltreue Darwin-Verächterin, zwei gewaltbereite Rednecks und eine ältliche Dame, die Paul entdeckt hatte, als sie noch ein Kind war und der danach ihr Leben lang niemand glauben wollte.

„Paul – Ein Alien auf der Flucht“ bedient die kleine Sparte selbstreflexiver SF-Kultur, wie sie im Kino zuletzt in Jared Hess‘ wundervollem „Gentlemen Broncos“ und vor gut zehn Jahren in der Persiflage „Galaxy Quest“ schon aspektiert wurden: wohlgesonnene Komödien, die die merkwürdige SF-Fankultur auf die Schippe nehmen und dabei aus dem reichhaltigen Schatz ebenjener Kultur zitieren. In „Galaxy Quest“ verkörperte ein solches Zitat die „Alien“-Schauspielerin Segourney Weaver – und die ist jetzt auch in „Paul“ wieder zu bewundern. Daneben gibt es gelungene Situationskomik, witzige Dialoge (wenn in der deutschen Fassung auch etwas arg bemüht „cool“, was nicht zuletzt an der Synchronleistung des Paul-Sprechers Bela B. liegt) und einen nicht unspannenden Road-Movie-Plot. Wie eingangs gesagt: Die Zotigkeit wirkt der ansonsten doch recht deutlich geplanten Kinderfilm-Affinität etwas entgegen, ist allerdings auch nicht aus der Luft gegriffen (immerhin nimmt sich die bis zur Begegnung mit Paul lammfromme Kreationistin vor, von nun ab das ganze Leben und Lieben auszukosten, wozu auch Fluchen gehört). Wahrscheinlich werden sich aber wohl nur wenige Eltern freuen, wenn ihre Kinder mit dem Kompositum „Scheiß-Sach-Piss-Titten-Mist“ als neu gelerntem Fluch nach Hause kommen.

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Sprich zu dir selbst, dann sprichst du zu den Dingen

Iron Doors 3D (D 2010, Stephen Manuel) (PV Cinemaxx)

Das kommt dabei heraus, wenn man nur fremde und keine eigenen Ideen hat. Nein, ich spreche nicht vom Politik-Adel, sondern von einer der jüngeren deutschen Versuche im SF-Film: Das Gefangenen-Dilemma aus „Cube“ gepaart mit dem Folter-Paradigma aus „Saw“ abzüglich einer plausiblen Entwicklung, abzüglich einer bei minimalistischen Settings notwendigen parabelhaften Story, ohne auch nur einen guten Schauspieler aber dafür mit einem aufgesetzten Schluss … so würde ich „Iron Doors 3D“ zusammenfassen, fragte man mich. Die Tatsache, dass der Film hier unter „Science Fiction“ getaggt wird, ist vielleicht die einzige wirkliche Überraschung eines Filmes, der wirklich nichts zu erzählen und nicht zu zeigen hat außer folgendem: Ein Mann findet sich in einer Art Tresorraum wieder und weiß nicht, wie er da hinein gelangt ist. Er wartet, bekommt Durst, trinkt seinen Urin, bekommt Hunger, isst ein paar Maden, die aus einer ebenfalls anwesenden toten Ratte kriechen. Dann entdeckt er Hinweise, die nahelegen, dass seine Gefangenschaft eine Art „Rätselaufgabe“ sein könnte. Und er findet heraus, dass er offenbar nicht der einzige ist, der dieses Schicksal hat. Mit Antworten zur Frage der Situation darf man genauso wenig rechnen wie mit einer Entwicklung der gefangenen Figur.

„Iron Doors 3D“ buhlt angesichts seines situativen Minimalismus förmlich damit eine Parabel sein zu wollen, aber das mangelhafte „Dialog“-Skript (eigentlich sind es immer Monologe), der abgrundschlechte Hauptdarsteller und die Tatsache, dass es eigentlich um nichts geht, schieben jedem Ansatz einer solchen Lesart den Riegel vor. Das 3D öffnet den Tresorraum zumindest für unserem Blick in die Tiefe der Leinwand. Möglicherweise ein zaghafter Versuch, den Film als Zuschauerexperiment zu sehen: Immerhin hätte die Gefangenschaft dann ja den Zweck, uns in einer Variante des „Big Brother“-Containments als Anschauungsmaterial zu dienen. Aber das Ende des Films und die für diese Lesart inkonsequent agile Montage verhindern auch diesen Aus- bzw. Zugang. Bleibt also ein filmischer Torso, der vage an Heinleins Story „Im Goldfischglas“ erinnert, der zu viele gute Vorbilder, aber zu wenig eigenes Talent offenbart. Kurzum: Ein weiterer gescheiterter deutscher Versuch, der Genrefilm-Geschichte etwas von Relevanz hinzuzufügen.

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»Ich will das noch mal sehen!«

[REC•] (Spanien 2007, Jaume Balagueró) (BD)

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Exit Mundi

Heute Morgen ist bei postapocalypse.de meine Besprechung des Hörbuchs „Exit Mundi“ erschienen.

mehr: postapocalypse.de

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Nummer 5 klaut!

Ebenso bei archive.org gibt es eine Episode der Zeichentrick-Serie „Superman“ aus dem Jahr 1941 mit dem Titel „The Mechanical Monsters“ zu sehen:

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Earlier Robot

Gerade finde ich bei archive.org die mir bis dato früheste fiktionale Roboter-Darstellung im Film „A Clever Dummy“ aus dem Jahre 1917 von Ferris Hartman und Robert P. Kerr:

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Tomorrow’s World … of Computing

Auf der Webseite der BBC gibt es eine Filmserie mit dem Titel „Tomorrow’s World„, die zwischen 1965 und 2004 ausgestrahlt wurde und sich mit technischen Innovationen der Zukunft befasst:

Its mix of quirky film reports and live experiments examined the changing state of current technology and put new inventions to the test. In this collection, we witness a change in how people thought of the future and chart the rise and rise of the computer.


Home Computing


Light Pen


Nellie The School Computer

(via Peter Becker @ Facebook)

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Industrie-Architektur-Dokumentation

Unter Kontrolle (D 2010, Volker Sattel) (Berlinale – CineStar)

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Contact/Conflict/Combat/Coming soon

mit meinem Beitrag:
Spielen (in) der atomaren Situation. Atomkriegsszenarien im 8- und 16-Bit-Computerspiel.

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An einem Samstag im April

V Subottu (Rus/D/Ukraine 2010, Alexander Mindadze) (Berlinale – Friedrichstadtpalast)

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Herzogs Höhlengleichnis

Cave of forgotten Dreams (Can/D/USA/F/UK 2010, Werner Herzog) (Berlinale – Cinemaxx)

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Wahrheit & Lüge & Bergman

Fårö-Dokument (Schweden 1979, Ingmar Bergman) (Berlinale – Cinemaxx)

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»Kein Vergleich zum bedrohlichen roten Auge«

Auf Spiegel Online findet sich heute ein Bericht über IBMs Super-Coputer „Watson“ und seine Teilnahme beim TV-Quiz Jeopardy.

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Analog->Digital

Matthias Gräbner schreibt bei Telepolis über die Umgewichtung des Speicheraufkommens von analogen zu digitalen Datenträgern seit den 1980ern.

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»No one’s blaming you for being human.«

The Spy who came (USA 1969, Ron Wertheim) (DVD)

Pawlow: Pionier der biologischen Programmierung

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»turn humans into veritable screwing machines«

The Curious Dr. Humpp (La venganza del sexo, Argentinien 1969, Emilio Vieyra) (DVD)

Silverfoot

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Quasi Man & Quasimodo

The Astro-Zombies (USA 1968, Ted V. Mikels) (DVD)

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»punching out his own dream girl«

How to make a Doll (USA 1968, Herschell Gordon Lewis) (VHS)

Junggesellen und ihre Maschine

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Gestern, als Heute noch Morgen war …

Bei der Suche nach weiteren Science-Fiction-Futurologen bin ich auf diese interessante Webseite gestoßen, auf der futurologische Konzepte der SF-Autoren Isaac Asimov, Arthur C. Clarke und Robert A. Heinlein einander gegenüber gestellt werden.

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