Fairchilds Einstieg in den Mikroprozessormarkt*
Fairchild bringt den F8-Mikroprozessor erst 1975 auf den Markt – zu einer Zeit, in der sich bereits zahlreiche Anbieter von Konkurrenzprodukten situiert haben. Ursprünglich sollte der F8, produziert von Mostek mit der Bezeichnung 3850, allein als Steuerchip für Geräte wie Pumpen, Registrierkassen und andere Kleingeräte dienen, weshalb er sich in seinem Design auch stark von Vielzweck-Mikroprozessoren (wie dem Intel 8080 oder Motorola 6800) unterschied: In seiner Architektur findet man keine Logik zur Ansteuerung externen Speichers. Anstelle dessen verfügt der Chip selbst über 64 Byte RAM und nutzt die freien Pins für zwei acht Bit breite I/O-Ports zur Kommunikation mit der Peripherie. In den 64 Byte konnten kleine Programme abgelegt werden (die die oben genannten Steuerungsaufgaben übernahmen). Damit der F8 ein »vollwertiger« Mikroprozessor wird, musste ein zweiter Chip her: zum Beispiel der 3851 von Fairchild. Er übernahm die Ansteuerung des RAM. Mikroprozessor-Systeme aus mehreren Chips waren zu dieser Zeit der Standard. Ein Zwei-Chip-System, wie das von Fairchild, war da schon ein sehr kleiner Verbund.
Auf dem in der von Fairchild erfundenen, planaren NMOS-Technologie gefertigten Chip selbst ist eine ALU (Arithmetik-Logik-Einheit) zur Berechnung, ein 8-Bit-Akkumulator, ein 5-Bit-Statusregister (für Zero, Overflow, Carry, False/True) und ein 6-Bit-Adressregister (»Indirect Scratchpad Adress Register«, ISAR) für das eingebaute 64-Byte-RAM enthalten. Dieses eingebaute RAM lässt sich vom Programmierer auch wie 64 Register nutzen. Dazu kommen zwei I/O-Ports, die für die meisten damaligen Peripheriegeräte nutzbar waren. Ebenso gibt es auf dem F8 eine Clock, die die Taktung übernimmt, ein Interrupt sowie einen Einschalt-Detektor, mit dessen Hilfe Programme automatisch gestartet werden können. Programmcounter und Stack-Pointer sucht man hingegen auf dem Chip ebenso vergebens wie einen Adresspointer – die sind auf dem ROM-Chip vorhanden.
Der F8 benötigt wie auch der 8080 von Intel zwei Arbeitsspannungen (5 Volt und 12 Volt) und ist – was seinerzeit unumgänglich war – spannungskompatibel mit TTL-Schaltungen. Er kann mit bis zu 2 Megahertz getaktet werden und besitzt 71 festverdrahtete Instruktionen, die je nach Komplexität in 1 bis 6,5 Taktzyklen abgearbeitet werden. (Das entspricht einer Verarbeitungsgeschwindigkeit von 2 bis 13 Mikrosekunden pro Befehl). Revolutionär war die (trotz der Bauteildichte) geringe Größe des Chips; er war der kleinste damals verfügbare 8-Bit-Prozessor.
Sein Befehlsumfang ist ebenso etwas untypisch, weil viele Befehle I/O-orientiert sind. Der F8 kennt acht Adressierungsarten (direkte, implizite, Kurzaddressierung, unmittelbare mit kurzen und langen Adressen, direkte und indirekte Registeradressierung, relative Adressierung für alle Sprungbefehle sowie indirekte 16-Bit-Speicheradressierung). Neben den üblichen logischen und arithmetischen Befehlen sowie Lade- und Speicher-Befehlen für die Register und das 64-Byte-RAM, verfügt er über vier I/O-Befehle, drei unbedingte und acht bedingte Sprungbefehle, die sich auf die Flags sowie unterschiedliche Zustände des 6-Bit-ISAR beziehen. Wie seine Zeitgenossen kennt er keine Multiplikations- und Divisions-Operationen, besitzt jedoch einen Bit-Doppelshifter, was derartige Arithmetiken leicht programmierbar macht. Seine komplexesten und damit zeitaufwändigsten Operationen sind Sprungbefehle, die sich auf das Stackregister oder den Programmcounter beziehen und Ladeoperationen, die das implizite Adressregister benutzen.
Beim F8 stand im Vordergrund ein konstengünstiges Design, das auf kleinster Chipfläche einen voll funktionsfähigen Mikrocomputer realisiert, der sich mit den Zusatzchips modular erweitern ließ. Das ist Fairchild so gut gelungen, dass der F8 zu den meistverkauften Mikroprozessoren seiner Zeit gehörte und sogar Eingang in Spielzeug finden konnte: Die Channel-F-Spielkonsole, ebenfalls von Fairchild produziert, basiert auf dem Chipsatz.
* Zuerst erschienen in: Retro Nr. 28, Sommer 2013, S. 62.