»hack your own brain«

Johnny Mnemonic (USA 1995, Robert Longo) (DVD)

Was William Gibson da aus seiner eigenen Kurzgeschichte gebastelt hat, ist nicht weniger als ein Steinbruch an Ideen, aus dem sich Science-Fiction-Filme bis heute ihre Motiv-Brocken abholen: In der zukünftigen Welt werden Daten verschlüsselt auf bio-technisch veränderte Gehirne übertragen und kodiert. Die Kuriere dieser Daten tragen die Informationen, ohne deren Inhalt zu kennen, mit sich herum und bringen sie ans Ziel. Johnny hat sich für einen besonders lukrativen Auftrag überladen: Obwohl sein Gehirn lediglich 80 GB Kapazität besitzt, die mit einem „RAM-Doubler“ schon auf 160 GB erhöht hat. Die Daten, die er aufnehmen soll – medizinische Informationen, die eine weltweite Seuche stoppen – benötigen allerdings 320 GB. Da steht ein Overload ins Haus. Die Informationen beschädigen das Gehirn und müssen schnell entfernt werden – auch, weil mehrere sehr aggressive Parteien hinter den Infos her sind und im wahrsten Sinne des Wortes Johnnys Kopf wollen …

„Johnny Mnemonic“ ist als Spielfilm kaum zu ertragen: Ein zu viel an Informationen, Ideen und Plot-Fragmenten; Figuren, die nur kurz auftauchen und dann wieder verschwinden und ein Erzähltempo, das selbst für einen Science-Fiction-Actionfilm beeindruckend ist. Man hat förmlich den Eindruck, Gibson habe die 1981 (zum Entstehenszeitpunkt der Geschichte) sehr luziden Ideen von Netz-Gesellschaft, Bionik und anderem noch einmal auf den neuesten Stand bringen wollen und pünktlich zur Popularisierung des Internets Mitte der 1990er Jahre mit dem Drehbuch ein Update seines Stoffs vorlegen wollen. Wie sich bzw. seinen Zuschauern „Johnny Mnemonic“ das Internet vorstellt, ist allerdings bemerkenswert „90s“:

Von „Lawnmower Man“ über „Ghost in the Machine“ bis „Nirvana“ sind solche Darstellungen des virtuellen Raums für den Cyberspace-Film typisch geworden. Sie gehen zurück auf das Motiv der „Computerwelt als Stadt“, wie es in „Tron“ inauguriert wurde und auch im Vorspann von „Johnny Mnemonic“ herbei zitiert wird. Weil sich die Internet-Technologie mittlerweile eher als eine soziale als eine technische Utopie darstellt, lässt solche Filme auf eigenartige Weise altmodisch erscheinen. Zeitgemäßere Netzwelt-Dystopien finden sich da eher in „Gamer“ oder „Surrogates“ – so gesehen war Fassbinder mit „Welt am Draht“ bzw. Galouye mit „Simulacron-3“ hellsichtiger als Gibson. Die zwei divergierenden Prognosen über die Entwicklung des Cyberspace wären in jedem Fall näher zu beleuchten.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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