»Schick doch die Bet-Suse nach Hause.«

Ich bin da, ich bin da (D 1992, Herbert Achternbusch) (DVD)

Der vorerst letzte Film in meiner kleinen Retrospektive zur Recherche eines Geburtstagsartikels für „epd Film“. „Ich bin da, ich bin da“, war der allererste Achternbusch-Film, den ich gesehen habe. Das muss etwa 1993 gewesen sein, anlässlich einer Retrospektive im ARD-Fernsehen. Und vielleicht bin ich nur seinetwegen überhaupt weiterhin interessiert an Achternbusch gewesen, denn dieser Film nähert sich erstmals an so etwas wie einen „Plot“ an.

Erzählt wird die Geschichte Professor Hicks und seines Assistenten Chester. Letzterer will seine Mutter, die Gräfin Donna Konquistadora besuchen, denn es jährt sich der Tag, an dem der Geist ihres verstorbenen Ahnen aus seinem Bild springt und sich erkundigt, ob noch Indios leben. Die Gräfin, schon leicht alternd und aus Steuergründen gelegentlich ihren eigenen Tod inszenierend, wartet auch dieses Jahr nicht vergeblich auf das Auftauchen des Indianer-Hassers. Nur ist sie nun nicht allein, sondern Hick, Chester und eine Gruppe Studentinnen, die sich im Auto versteckt hatten, sind mit dabei – ebenso wie eine Katholische Priesterin (gespielt natürlich von Annamirl Bierbichler). Zusammen will man dem Gemetzel des Konquistadors ein für alle Mal Einhalt gebieten.

Achternbusch gibt in „Ich bin da, ich bin da“ seinen ganz eigenen „Glückwunsch“ zur 500-Jahrfeier der Entdeckung Amerikas und verbindet dies noch mit einer recht amüsanten Kritik an der akademischen Philosophie. Während Chester als Assistent Professor Hicks (der sich selbst als Zukunftologe ausgibt) noch bemüht ist, Lehre zu veranstalten, stellt sich Hick einfach auf den Kopf. Die Affen-Theorien seines Assistenten sind bei ihm bereits in die Praxis umgesetzt und vielleicht ist das auch der Grund, warum der Konquistador ihm zum Schluss nichts anhaben kann. Er schlägt ihm mit dem Schwert den Kopf ab, der vom Hausmädchen kurzerhand wieder aufgesetzt wird. Überhaupt ist die Physiologie Hicks etwas Besonderes: In einem Café (ich vermute, es ist das Café, dass am Münchner Filmmuseum angeschlossen ist) geht ihm, als die Belegschaft ein Frontlied singt (das muss man sich vorstellen: Ein Mädchenchor schmettert „Ich hab den Kopf in Stalingrad verloren …“), die Luft aus dem Kopf aus und der Assistent muss eine Pumpe herbei holen, um seinen Professor wieder aufzufüllen.

Bemerkenswert ist die ausgefeilte, hasserfüllte Rede des zurückgekehrten Konquistadors, dessen einzige Sorge während des Genozids an den Indios, der Rost auf seiner Rüstung, verursacht durch das spritzende Blut, ist. Achternbusch reiht die Konquista in eine Chronologie der Verbrechen des Christentums (die er den Butler der Gräfin im Hintergrund aufsagen lässt) und lässt seine Priesterin die hingemetzelten Familienmitglieder segnen und Goldbarren, die diese bei sich führen, stehlen. Die Piranhas im Amazonas, an die man die Indios verfüttert hat, als „heilige Theologen“ zu bezeichnen, ist dagegen schon beinahe harmlos. Ach ja, das dürfte auch der einzige Achternbusch-Film sein, der sich neben der – zugegeben wie immer berauschenden – Flöten-, Digeridoo- und Sitar-Musik ebenfalls der zeitgenössischen Pop-Musik hingibt. Thematisch passend hören wir, als Hicks Auto von innen zu brennen beginnt, Bob Segers „Fire inside“ und zum Abschied, als Hick, die Gräfin und die Chormädchen den Pickup besteigen, Clouseaus „Close Encounters“.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
Dieser Beitrag wurde unter Filmtagebuch veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.