»Die Antwort darauf, was die Geister wollen, ist in den Fotos.«

Shutter (Thailand 2004, Banjong Pisanthanakun, Parkpoom Wongpoom) (DVD)

In meiner damaligen Kritik bei Jump-Cut hatte ich geschrieben, dass mir „Shutter“ vor allem deshalb so gut gefallen hat, weil er sich nicht allein auf den Hype der „J-Horror“-Ästhetik verlässt, sondern Ästhetiken und narrative Elemente des europäischen und amerikanischen Grusel- bzw. Geisterfilms in sich integriert. „Shutter“ war nun Gegenstand der letztwöchigen Übungssitzung und dort haben wir vor allem diesen Aspekt und wie er mit der Tradition der Geisterfotografie und der Entstehung des medialen Spiritismus zusammenhängt, herausgearbeitet.

Zunächst lässt sich feststellen, dass „Shutter“ – betrachtet man die Geistererscheinungen und ihre Funktionen für den Plot – drei Geisterfilmstoffe in sich vereint. Zu Beginn tritt der Geist noch in „klassisch asiatischer“ Ausprägung als Hinweis auf begangene Schuld auf: Jane meint, eine Frau überfahren zu haben, die ihr nun als Geist erscheint. Die Erscheinungen begrenzen sich dabei streng auf Fotografien, der Geist ist nur als mediales Abbild vorhanden. Dort, wo er die Fotografien verlässt (Jane begegnet der Geisterfrau Natre in Tuns Fotolabor), entpuppt sich diese Materialisation schnell als bloßer Albtraum.

Als Jane herausfindet, dass Tun Natre kennt und sie mithilfe eines Fotobeweises (sie vergleicht die Fotos von der Universitätsabschlussfeier auf den Ort hin, an dem die Lichterscheinungen zu sehen sind) das „wo“ des Geistes klärt, ändert dieser auch seine Funktion in der Erzählung: Er wird zu einem religiösen Phänomen; Jane und Tun finden heraus, dass sich Natre – wohl aus Liebeskummer zu Tun – das Leben genommen hat und weil sie nicht beerdigt wurde, seither als ruheloser Poltergeist sein Unwesen treibt. Die Erscheinungen des Geistes sind nun nicht mehr allein medialer Natur, er taucht auch in Tuns Lebenswelt auf und ist schließlich verantwortlich für einen Unfall, den Tun erleidet.

Seine dritte Funktion erhält der Geist, nachdem die Beerdigung Natres vonstatten gegangen ist und der Spuk trotzdem weitergeht. Jane findet abermals durch einen Fotobeweis (die Geisterfotografie wird nun zu einem Daumenkinofilm, der Faktor „Zeit“ führt letztlich die Erkenntnis ein, die das stillgestellte Foto niemals hätte produzieren können) heraus, dass Tun ganz wesentliche Schuld am Tod des Mädchens trägt und sich dieses nun als Geist an seinen „Mördern“ rächt – ein klassicher Rachegeist, wie er vor allem in den Geister- und Hexenerzählungen der westlichen Kultur anzutreffen ist.

Jetzt materialisiert sich der Geist auch zusehends im (Film)Bild: Er wird für uns sichtbar, bleibt für die Protagonisten aber unsichtbaar; die Geistererscheinungen in der Fotografie werden auf den Film „Shutter“ übertragen (das Cover des Films wird zu einem Fotobeweis hierfür). Dass „Shutter“ neben seiner Gruselerzählung auch eine Erzählung über den Beweischarakter medialer Repräsentationen ist, wird sehr deutlich schon im ersten Drittel des Films verhandelt. Der Geist spukt in allen technischen Orten der Bilderproduktion: Im Sucher der Kamera (es ist übrigens das gleiche Canon-EOS-1-Modell, das Tun von Natre geschenkt bekommen hat!), auf den Fotopositiven, auf den Negativen, im Fotolabor. Um technische oder Wahrnehmungsfehler auszuschließen, wird der Fotografie-Typ gewechselt: Tun fotografiert nun mit Polaroid, weil die Beeinflussung hier wesentlich komplizierter wäre.

Die genuine „Unheimlichkeit“ des Fotografischen, das nach Barthes ja immer schon ein Geistermedium ist (man vergleiche Seine Ausführungen zu der Fotografie seiner Mutter in „Die helle Kammer“), dekliniert „Shutter“ in zahlreichen Facetten durch: Über den denotativen und konnotativen Charakter von Fotoinhalten wird während eines Diavortrags aufgeklärt, vom Zweck der Fotografien als Konservierung des Vergangenen handelt Tuns Arbeit als Portrait-Fotograf, das spezifisch kommunikative Element von Fotografien wird in der Redaktion der Geisterfotografie-Zeitschrift verhandelt („Die Antwort darauf, was die Geister wollen, ist in den Fotos.“), die Röntgenaufnahmen von Tuns  Schädel und Halswirbelsäule liefern Einblick in eine verborgene („okkulte“) Welt – es ist jedoch ein entzauberter Blick und deshalb auch ohne Geister-Beleg. Und letztlich bekommen die Fotos von der Vergewaltigung Natres einen moralischen Charakter: sie sind gleichermaßen Waffen wie Beweismittel und nicht zuletzt der Grund, aus dem der Spuk überhaupt stattfindet.

„Shutter“ ist das ideale Filmbespiel um in die Medienontologie, Geschichte und Ästhetik von spiritistischer Geisterfotografie einzuführen. Das hat sich an der Entwicklung der Thesen und Ideen in der Übung deutlich gezeigt. Über das Phänomen des Spiritismus ließe sich überhaupt ein sehr erfrischender und origineller Zugang zur Geschichte der Medien und ihrer Theorien entwickeln.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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Eine Antwort zu »Die Antwort darauf, was die Geister wollen, ist in den Fotos.«

  1. Konsequenterweise ist der nächste Film von den Shutter-Regisseuren einer über Doppelgänger:
    http://www.alone-themovie.com/

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