Fantasy Filmfest Nights 2008 – Teil 2

Die besseren Filme gab es am zweiten Tag:

Eden Log (Frankreich 2007, Franck Vestiel)

Ein Mann erwacht in einer Wasserlache, tief unter der Erde. Nur schwach wird er von einer flackernden Glühbirne beleuchtet. Um ihn herum: Leichen, Wurzelwerk, Schlamm. Er kämpft sich durch das sumpfige Dickicht, erreicht einen Lastenaufzug, fährt nach oben und landet doch wieder nur ein einem Untergeschoss“. Nach und nach erfährt er, dass er sich unterhalb eines Baumes befindet, dessen Wurzelwerk zur Energieerzeugung angezapft wird. Ihm begegnen entstellte Menschen, die nach seinem Leben trachten und eine Frau, die offenbar etwas mehr weiß als er. Gemeinsam mit ihr versucht er weiter nach oben zu gelangen. Mit jedem überwundenen Stockwerk erlangt er sein Gedächtnis zurück und versteht mehr und mehr, was um ihn herum geschieht.

Es hat wirklich ein paar Tage gebraucht, bis ich mir darüber klar geworden bin, ob mir „Eden Log“ gefällt – und er tut es. Die Verbindung von Darstellungsweise der Unüberschaubarkeit, die starken Kontraste, das ungewöhnliche Setting, die Zerstörung der Unterwelt mit all ihren Nuancen machen aus „Eden Log“ zunächst einmal einen sehr unangenehmen, beklemmenden Film. In dem Maße, wie der Film seine Erzählung schleppend Bruchstück für Bruchstück entbirgt, offenbart sich dem Zuschauer auch das parabelhafte philosophische Konzept des Films. Das Durchdringen an die Oberfläche als eine Flucht aus der Platon’schen Höhle und gleichzeitiges Überwinden des Absurden führt den Protagonisten nicht etwa ins Licht, sondern in eine Welt, in der er, der auf seinem Weg seine Menschlichkeit zurückgewonnen hat, keinen Platz hat.

Es ist erstaunlich, dass gerade Filme, die Bäume als zentrale Metapher inszenieren, sich einer kryptischen Metaphorik offenbar nicht zu verschließen in der Lage sind. Der Baum mit seinem gespiegelten Doppel-Rhizom lädt aber auch geradezu dazu ein.

[Rec•] (Spanien 2007, Jaume Balagueró, Paco Plaza)

Man tut Balagueró sicherlich nicht Unrecht, wenn man seine Sujets in die Tradition der Gothic Novel stellt. Seine bisherigen Filme haben gekonnt Motive der Schauerromantik mit kontemporären Stoffen und Problemen verwoben. In „Rec“ ist das wieder so, wenngleich das „Haunted House“-Motiv hier wesentlich zurückhaltender eingesetzt wird als in „Fragile“, „Darkness“ und „Los sin nombre“. Dafür drängen sich die zeithistorischen Bezüge mehr und mehr in den Vordergrund. Zuallererst musste ich natürlich an die „9/11“-Doku von James Hanlon et al. denken, in denen ein Dokumentarfilm-Team die Feuerwehr zufällig an jenem schicksalhaften Tag zu einem Einsatz am World Trade Center begleitet. In „Rec“ verfolgt der Pseudodokumentarismus dieselbe Spur und wieder ist es ein Haus, das zum Dingsymbol für eine facettenreiche Katastrophe wird.

Aber Balagueró wäre nicht er selbst, wenn er dieses Setting nicht dazu nutzen würde, sein Talent für atemstockenden Horror zur Geltung zu bringen. Zunächst sind es reine Schockszenen, die einen als Zuschauer zusammenzucken lassen; mehr und mehr wird jedoch die ausweglose Situation im abgeriegelten und von infektiösen Zombies befallenen Haus dazu genutzt, das Unerwartete des Schocks in einen Thrill und Grusel der Gewissheit umzumünzen. Das Finale des Films zieht diesbezüglich sämtliche Register. Nur selten (vielleicht bei „The Grudge“ und „Shutter“) war es so unangenehm „sehen zu müssen“.

Inside (À l’intérieur, Frankreich, Alexandre Bustillo, Julien Maury)

Was ist los im Staate Frankreich möchte man nach dem Doppelmissvergnügen von „Frontier(s)“ und nun „Inside“ fragen. Die Krawalle, die sich vor einigen Monaten in den Pariser Vororten zugetragen haben und der politische Umbruch in Richtugn Sarkozy, waren offensichtlich traumatischer als es bei mir angekommen ist. „Inside“ als Parabel über Schwangerschaft (abermals!) zu sehen, fällt einem angesichts der überbordenden Gewaltdarstellung des Films nicht leicht: Eine hochschwangere Frau zu Weihnachten allein in ihrem Haus. Ihr Partner bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Eine andere Frau vor dem Haus. Sie will das Kind – und zwar noch bevor es geboren wird. Solche Dramen sind tatsächlich bekannt, aber dass und wie der Film sie aufgreift und daraus seinen unfassbaren Terror konstruiert, war für mich bisher zumindest undenkbar. „Inside“ ist letztlich genauso zynisch (und vielleicht deshalb so realistisch) und ebenso hoffnungslos wie „Frontier(s)“ – Kino das absolut keinen Spaß macht, keinen Spaß machen will und kann, das vor den Kopf stößt und mit dem Tonfa in den Bauch schlägt. Immer und immer wieder.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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