Produktive Enttäuschung

Faustrecht der Freiheit (D 1974, Rainer-Werner Fassbinder) (DVD)

Erstaunlich schlecht hat den Stundenten des Proseminars Fassbinders früher Film gefallen. Zu langsam erzählt, zu eintönig, zu vorhersehbar, aber vor allem zu offensichtlich in seiner gesellschaftlichen Kritik sei er gewesen. Dabei ist er doch vor allem letzteres erst, wenn man die Story als Allegorie zu lesen beginnt, wenn man aus Fox das Proletariat und aus den befreundeten Schnöseln die Bürgerlichen macht. Und selbst dann ist die Lektüre problematisch, weil immer noch ganz ungeklärt bleibt, wieso das Thema Homosexualität so „offensiv normal“ verhandelt wird.

Es ist wohl so, wie bei vielen Fassbindern, dass man die Stoffe in einer spezifischen Weise als Provokationen eines Status Quo lesen muss; sicherlich eine etwas undifferenzierte und ziellose Provokation, weil sie sich gegen nichts und niemand Spezielles/n richtet, sondern lediglich den Terror der Heteronormativität offenlegt. Insofern lassen sich selbst Western-Anspielungen, wie sie der Titel von „Faustrecht der Freiheit“ ja ganz deutlich lanciert, Kriminalgeschichten („Liebe ist kälter als der Tod“) und sogar Melodramen („Angst essen Seele auf“), aus Fassbinders Frühwerk einem gemeinsamen Projekt zuschreiben. Ganz anders als etwa der Film der Nouvelle Vague werden die Genreklischees nicht mehr produktiv, sondern regelrecht destruktiv/destruierend aufgegriffen um das bundesrepublikanische Selbstverständnis und die eigentümliche Geschichtslosigkeit der 1970er Jahre anzugreifen. Der Konflikt, der beim Zuschauer entsteht, ist dann auch ein Resultat aus der Genre-Erwartungshaltung und dieser typisch Fassbinder’schen Enttäuschung derselben.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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