»we are too soon … or too late.«

Lust at first Bite (USA 1979, Philip Marshak) (DVD)

„Sewards Sanatorium“ besticht durch seine ruhige Lage irgendwo in der amerikanischen Einöde, durch seine alten Gemäuer (es ist in einer Burg untergebracht) und durch seine Nähe zur verfallenen Residenz des Grafen Dracula. Diese Nähe macht sich unangenehm bemerkbar, als sowohl Patienten als auch das Personal zusehends merkwürdige Symptome von Besessenheit entwickeln, sich für Cowboys, Baby-Janes und sogar Hitler halten. Als der junge Jonathan Harker mit seiner Verlobten Mina und deren Freundin Lucy im Sanatorium anreist, um den gemeinsamen Freund Professor van Helsing zu besuchen, ist die Stoker-Gesellschaft komplett und der Vampirfilm kann beginnen.

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Der Porno-Vampirfilm ist vielleicht das tautologischste Hybrid, weil der dem Motiv des Vampirs immer schon immanente Sexualitätsdiskurs hier lediglich ausformuliert an die Oberfläche gelangt. Welch seltsame Ausformungen das in „Lust at first Bite“ (der im Alternativtitel „Dracula sucks“ heißt) annimmt, ist aber schon erstaunlich. Der Film schlägt beinahe Kapriolen dabei, immer wieder Standardsituationen sowohl des Vampir- als auch des Pornofilms vorzuführen. Dabei geht er eher mit persiflierender Methode vor, unterlegt beinahe den gesamten Film mit einem aus Folk-, Klassik- und Fahrstuhlmusik zusammengestückelten Soundtrack und übt sich sogar in One-Liner-Komik.

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Und dennoch finden sich auch (bzw. schon) hier pornografische Situationen, die die späteren Hybride ebenfalls an zentraler Stelle wiederholen: Der Beischlaf mit einer (Un-)Toten (Harker will der gebissenen Lucy zunächst einen Holzpflock ins Herz schlagen, entscheidet sich dann jedoch, ihr im Angedenken an die guten alten Zeiten zuerst einmal seinen Fleischpflock zwischen die Schenkel zu rammen), Bisse in den Penis, Busen und Vagina und Wiedererweckung durch Besamung (abermals narrativ funktionalisiert, denn Prof. van Helsing weiß: „He want’s sexual penetration … mixes his semen with her blood.“)

Dass „Lust at first Bite“ nicht nur pornotopische Pflichtübungen (Inzest zwischen Anstaltsleiter und seiner Schwester, Promiskuität Harkers, dessen Mina ihn seit 3 Jahren „zappeln“ lässt, Missbrauch der Patienten durch die Pfleger, …) vollführt, sondern darüber hinaus auch das eine oder andere Tabu bricht (Bisswunden in Brüsten und Penissen werden ebenso detailliert vorgeführt, wie einen homoerotische „Übermannung“ durch Dracula), lässt den Film letztlich aber doch in einem besonderen Licht dastehen. Letztlich bietet der Film einen gelungenen Anlass, ihn in Linda Williams Typologie der Fantasiestrukturen von Körpergenres einzuordnen, wenn er die melodramatische Wende (Harker verliert Mina an Dracula, bevor er sie überhaupt besessen hat) des „zu früh“ und die Horrorszenen mit ihrem „zu spät“ im pornografischen „gleichzeitig“ zusammenzuführen versuch.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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