Motherfucker

Sex Wish (USA 1976, Victor Milt & Zebedy Colt) (DVD)

Obwohl „Sex Wish“ eindeutig auf der Erzählung des Rape-and-Revenge-Klassikers „Death Wish“ zurückgeht, ist der Porno dennoch kein Spoof des Spielfilms, sondern so etwas wie eine pornutopische Radikalisierung.

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(Pornotopia ist so bunt wie die 70er eben waren …)

Gleich zu Beginn findet schon das größtmögliche Vergehen statt, dass in einem Pornofilm denkbar ist: Ein Mann (Harry Reemes) und eine Frau wollen heiraten. Er, der auf Geschäftsreisen auch öfter mal auf Geishas trifft, die seine Verlobte eifersüchtig machen, schwört also Monogamie und diese Monogamie wird mit einer intim fotografierten Hardcore-Szene filmisch besiegelt. Natürlich hat diese Exposition auch den Sinn, ein identifikatorisches Gefüge herzustellen, ein Bild der bürgerlichen Kleinfamilie zu konstruieren, das verwundbar ist – damit der danach folgende Überfall eines Serienmörders auf die Frau, deren Vergewaltigung und Ermordung die Soll-Seite der Rache-Bilanz eröffnet, wie es in jedem Rape-and-Revenge-Film ist.

Die Frage, warum das nun en detail gezeigt werden muss (warum „Sex Wish“ also ein Hardcore-Pornofilm ist), lässt sich gleich zweifach beantworten. Zum Einen haben wir es auch hier mit dramaturgisch „sinnvollem“ Hardcore zu tun. Als die Frau am Ende des Expositionsficks etwa darauf besteht, dass ihr Mann auf und nicht in ihren Körper ejakulieren soll, wird damit einerseits einer Regel des Porno-Genres genügt (Money-Shots sind besser als Meat-Shots), andererseits wird dadurch auch die Ermittlungsarbeit der Polizei verunmöglicht, denn die Spurensicherung kann nun das Gattensperma nicht mehr eindeutig vom ebenfalls auf dem Körper der Frau befindlichen Tätersperma unterscheiden, was die Selbstjustiz-Erzählung erst so richtig in Gang bringt.

Eine andere Antwort auf die Frage nach dem Sinn von Hardcore liegt in der Beschaffenheit von Pornotopia, jenem Ort, an dem die ewige und bedingungslose Lust zuhause ist. „Sex Wish“ führt diesen Ort mit seinen beiden Seiten vor: Einerseits wird die Vergwaltigung durch den Serientäter, der ganz offensichtlich einen Ödipuskomplex mit sich herumträgt (er wird in einer Szene als „Motherfucker“ beschimpgt – das ist hier mehr eine Zuschreibung als eine Beleidigung auch eine Konsequenz des Jeder-mit-Jedem in Pornotopia!), als ein Aspekt von Lusterfüllung durch Schmerzzufügung interpretiert. Andererseits zeigt sich am Verhalten des frischen Witwers auch die heilsame Wirkung der pornografischen Utopie. Er lässt sich trotz oder wegen seiner Trauer gleich mit zwei Frauen aus einer Bar ein und später noch mit einer Freundin, die ihm auch den Mörder zu finden hilft. In Pornotopia ist „Ficken“ die Reaktion auf alles, was geschieht – sei es erfreulich oder unerfreulich. Der Film führt dies deutlich in allen Aspekten vor.

Einige der Standard-Situationen des (späteren) Splatter-Pornos bekommt man auch schon in „Sex Wish“ zu Gesicht: Eine der vergewaltigten Frauen reagiert auf einen erzwungenen Fellatio mit einem Biss; später, als der Täter ein schwarzes Pärchen zwingt, es vor ihm miteinander zu treiben, beendet er dasselbe dadurch, dass er dem Mann das Genital abschneidet. In einer entfernten Szene wird noch ersichtlich, dass er es dem Leichnam der Frau in den Mund stopft – eine Idee Zebedy Colts, die auf heftige Kritik der Darsteller und des Co-Regisseurs gestoßen ist. Diese Ausbuchstabierung der Kastrationsangst ist für Pornotopia zu deutlich, ebenso wie es auch notwendig ist, alles Homosexuelle aus dem Wunderland der Heteronormativität auszugrenzen: Der Serienmörder ist nämlich über sein gestörtes Triebleben hinaus noch ein homosexueller Transvestit und ein Drag-Künstler, was die überall-behaarte Ikone des 70er-Jahre-Mainstreampornos, Harry Reemes, schließlich auch dazu legetimiert, ihn durch einen Schuss in den Rücken zur Strecke zu bringen.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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