»Let’s stop here and fuck.«

Porno Holocaust (Holocausto porno, Italien 1980, Joe D’Amato) (DVD)

Über die Möglichkeit, Hardcore-Sequenzen in ganz normale Spielfilme zu implementieren, schreibt Zizek:

Das Problem ist, dass solch ein Film strukturell unmöglich ist. Selbst wenn er gedreht würde, würde er einfach „nicht funktionieren“: die zusätzlichen zehn Minuten [Hardcore, S. H.] würden uns aus der Fassung bringen, für den Rest des Filmes wäre es uns unmöglich, unser Gleichgewicht wiederzufinden und der Erzählung mit dem gewohnten, uneingestandenen Glauben an die diegetische Realität zu folgen. Durch den sexuellen Akt würde ein Reales eindringen, das die Konsistenz dieser Realität untergräbt.*

Was Zizek hier über den Liebesfilm schreibt, ließe sich natürlich auch auf andere nicht-pornografische Genres übertragen – wie zum Beispiel auch den Horrorfilm. D’Amato hat ja mehrfach versucht, beide Genres miteinander zu amalgamieren und ist daran gescheitert. Zwar waren die Hardcore-Sequenzen stets „pornografisch genug“ (weil der Porno aus narrativer Hinsicht eben ein „genügsames“ Genre ist), jedoch haperte es in den Filmen stets mit dem Plot, der Figurenentwicklung und also dem Horrror. Aber lag das wirklich an dem von Zizek behaupteten strukturellen Problem?

Es ist wohl vielmehr der reduzierte Plot, das zeigt sich an „Porno Holocaust“ sehr deutlich. Einfacher als in diesem Film lässt sich keine Horrorfilm-Erzählung basteln: Eine Truppe von Wissenschaftlern (3 Frauen, 2 Männer) reisen mit einer Schiffsbesatzung (2 Männer) auf eine Insel, auf der einmal Atomtests stattgefunden haben und nun Riesenwuchs in der Fauna herrscht (im Film werden normal große Krabben gezeigt, von denen behauptet wird, sie seien sonst um den Faktor 10 kleiner – das spart Spezialeffekte). Auch soll es ein Monster geben, das hin und wieder Fischer einer anderen Insel umbringt. Daran glauben die Wissenschaftler jedoch nicht. Und so verbringen sie einige Zeit auf der Insel, langweilen sich, mach dann das, was man in Pornos eben so macht, wenn es langweilig wird und stoßen schließlich auf folgenden Gesellen:

pornoholocaust.jpg

Ein Überlebender der Atomversuche, der in Lumpen gehüllt über die Insel schleicht und schließlich etliche der Expeditionsteilnehmer tötet (und die Frauen vorher vergewaltigt). Ja, mehr versucht D’Amato seinen Pornofilm-Zuschauer an Plot nicht zuzumuten. Mehr ist bei der Anzahl der Hardcore-Sequenzen auch gar nicht möglich. Denn anders als Zizek schreibt, ist es hier weniger ein strukturelles Problem der Rezeption, Porno und Horrorfilm zu verbinden als ein ästhetisches der Produktion: Es bleibt einfach nicht genug Zeit für all das, was einen plausiblem Filmplot auszeichnet, wenn man zwischendrin immer wieder 5-minütige Unterbrechungen mit Hardcore-Szenen unterbringen muss. „Let’s stop here and fuck“ ist nicht nur die Aussage einer Protagonistin während eines Insel-Spaziergangs, sondern auch ein programmatischer Aufruf des Pornofilms an die Horrorfilmhandlung, mal kurz innezuhalten.

Über dies hat „Porno Holocaust“ wenig mitzuteilen: Das Zombie-Thema, das – wie sich in anderen Einträgen zeigt – ja kein seltenes im Splatter-Porno ist, wird hier nicht dazu genutzt, es „ponografisch aufzuheben“, also den Umgang mit dem toten Körper zu ponografisieren. Vielmehr belässt D’Amato es dabei, den Zombie als fleischgewordenen Zuschauerblick durch die Gegend wandeln zu lassen und damit skopophil-subjektive Szenen auf der Plot-Ebene zu motivieren: Der Zombie guckt halt gern zu.

* Zizek, Slavoy: Der Hitchcocksche Schnitt: Pornografie, Nostalgie, Montage. In: Ders. u.a.: was Sie immer schon über Lacan wissen wollten und Hitchcock nicht zu fragen wagten. Frankfurt am Main: Surhkamp 2002, S. 52.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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