FFF 2007: Dritter Tag

Fido
Black Water
Film Noir
La Antena
Gravedancers

Zu letzterem gab es wieder einen Podcast:

Fido (Kanada 2006, Andrew Currie) (FFF)

Der satirische Blick Kanadas auf sein terrorgeplagtes Nachbarland und seine daraus resultierenden politischen Umtriebe: „Fido“ ist nicht nur eine Zombiefilm-Persiflage, sondern darin auch die ironische Überspitzung der dem Zombiefilm zugrunde liegenden Sozialkritik. Hier hat nun jede Familie, die etwas auf sich hält, mindesten einen domestizierten Untoten als Privatsklaven. Nach den „Zombie Wars“ hat es einige technische und gesellschaftliche Neuerungen gegeben, die den Militarismus und Zynismus tief im Selbstverständnis der Menschen verankert haben. Die Firma „Zomcon“ sorgt nun für Sicherheit und ideologische Geradlinigkeit und bestraft jeden Lebenden und Untoten, der sich nicht an die Regeln hält, mit Verbannung in die „Wild Zone“ – eine von Zombies verseuchte Landschaft, die die Gefängnisse überflüssig gemacht hat. Der Film erzählt die Geschichte einer Familie, deren Frau unbedingt auch so einen Hauszombie will, deren Mann aber aus Angst vor den Untoten (und einer morbiden Fasziantion für den das richtige Sterben) diesen Wunsch verweigert. Als sie sich dennoch einen Zombie besorgt, überschlagen sich die Ereignisse: Die Frau und der Zombie entwickeln Zuneigung zueinander, der Sohn (eigentliche Hauptfigur des Films) beginnt – jeden „selbstverständlichen“ Zynismus ablehnend – eine Freundschaft mit dem Zombie und der Vater verschwört sich gegen seine eigene Familie. „Fido“ ist zwar eine Komödie, dabei aber wesentlich „unauffälliger“ als ähnliche Produkte („Shawn of the Dead“, „Die Nacht der lebenden Loser“) und allein deshalb schon ein beachtenswerter Beitrag: Die Komik ist nicht nämich der Zweck des Films.

Black Water (Australien 2006, David Nerlich & Anrew Traucki) (FFF)

Wer heute einen Tierhorrorfilm dreht, muss sich schon etwas besonderes einfallen lassen, um nicht auf den ausgetretensten Pfaden zu wandeln. Das haben vor allem die Versuche der letztjährigen FFFs gezeigt. Die Ausnahme bestätigt die Regel: „Black Water“ ist nämlich ein ganz normaler Tierhorrorfilm ohne besondere Innovationen – und doch ein überaus gelungenes Genreprodukt. Ein Bootsausflug in die Mangrovensümpfe endet für den Leiter des Ausflugs, ein junges Ehepaar und die Schwester der Ehefrau katastrophal, denn just als sie die Angel auswerfen, wird das Boot von einem riesigen Krokodil gekentert. Der Ausflugsleiter stirbt zuerst, dann der zu mutige Ehemann, so dass sich die Frauen, allein über die Baumäste in Richtung des rettenden Bootes wagen müssen. Natürlich sehen sie durch das trübe Wasser die sich nähernde Gefahr gar nicht oder erst viel zu spät, was zu einigen sehr unangenehmen und schmerzhaften Begegnungen mit dem Reptil führt. Was „Black Water“ so besonders macht, ist, dass er seinen Geschichte nicht mit psychologischem Ballast überfrachtet (wie das bei „Open Water“ und „Adrift“ der Fall war), um davon abzulenken, dass er nichts wirklich Neues zu erzählen hat. Anstelle dessen timet der Film die Überfälle des Krokodils, die scheinbaren Rettungsaktionen und die Momente von Entspannung, Trauer und Verzweiflung exzellent.

Film Noir (USA 2007, D. Jud Jones & Risko Topaloski) (FFF)

Das Hybrid aus Zeichentrick, CGI und Realfilm macht seinem Titel alle Ehre. Erzählt wird die Geschichte eines Mannes, der nach einer Schießerei aus tiefer Ohnmacht erwacht und nicht mehr weiß, wer er ist. Langsam hangelt er sich an Details von Information zu Information, erfährt, dass er offenbar einer der meistgehassten Gangster (mit zudem masochistischen Gelüsten an Frauenquälerei) ist und etliche Todfeinde hat. Einige von diesen versuchen ihn während des ganzen Films das Lebenslicht auszupusten. Die Information, die ihn schließlich zu seiner wahren Identität führen soll, vermutet er bei dem Privatdetektiv Sam Ruben, der jedoch nicht auffindbar ist – was daran liegt, dass der Held es selbst ist: Mittels plastischer Chirurgie hat er sich in den Gangster verwandelt, um diesem das Handwerk zu legen. „Film Noir“ besticht vor allem durch seine Grafik, die an keiner Stelle selbstzweckhaft wirkt, sondern sich stets dem Understatement des Sujets beiordnet. Erwähnenswert ist auch, dass die Macher eindeutig ein Werk für Erwachsene anvisiert haben und deshalb offenbar ihren Idealvorstellungen weiblicher Anatomie auch in den nicht wenigen recht expliziten Sexszenen den dementsprechenden Ausdruck verliehen haben. Leider fehlt mit der Schluss des Films, weil dessen Überlänge nicht im Programmheft angegeben war und ich in die nächste Vorstellung musste.

La Antena (Argentinien 2007, Antonio Sapir) (FFF)

Auch wenn man sie dort nicht vermutet, derartige Kunstfilme wie „La Antena“ finden sich immer wieder auf dem Fantasy-Filmfest. Deutlich von den Stummfilm-Experimenten Guy Maddins inspiriert, erzählt „La Antena“ von einer Stadt ohne Stimme(n), in der einzig eine Showsängerin sprechen kann und sich alle anderen nur über „Wörter“ (nämlich Zwischentitel-Einblendungen) miteinander verständigen. Der Boss des mächtigen Fernsehkonzerns, der ohnehin schon beinahe alle Geschicke der Menschen in der Stadt bestimmt, will sich nun dieser Frau bemächtigen, um die Menschen mit ihrer Stimme noch weiter zu versklaven. Womit er nicht gerechnet hat, ist, dass Sprechen vererbbar ist und der blinde Sohn der Sängerin ebenfalls über diese Gabe verfügt. Eine kleine Gruppe von Revoluzzern, die die Pläne des finsteren Mediemoguls durchschaut, macht sich dies zu Nutzen und setzt die Stimme des Sohnes gegen die der Mutter ein. „La Antena“ kommt nicht nur in einer überaus charmanten Bildsprache daher, sondern geht auch innovativ mit den Texteinblendungen um, die immer wieder „vergegenständlicht“ werden, indem sie als opake Elemente ins Bild gesetzt oder von den Protagonisten bewegt, verformt und manchmal sogar wie Waffenprojektile eingesetzt werden. Sicherlich ein (be)merkenswerter Film, der hoffentlich nach dem Festival nicht in der Versenkung verschwindet.

Gravedancers (USA 2006, Mike Mendez) (FFF)

Und zum Schluss die obligatorische Gurke. Mendez erzählt eine Geistergeschichte, deren Aufhänger bereits lächerlich ist: Weil drei Freunde auf dem Friedhof (in der Verbrecher-Sektion) eine kleine Party veranstalten und auf den Gräbern tanzen, ziehen sie sich die Rachegelüste der Geister jener Verstorbenen zu und werden nach und nach „kaputt gegruselt“ (Matthias Huber). Das lockt wiederum zwei akademische Parapsychologen an, die nach eifriger Bibliotheksrecherche herausfinden, warum die Geister so wütend sind und wie man sie wieder loswird. Das alles ist mit einem solchen Bierernst inszeniert, dass man sich fragen muss, ob Mendez die letzten 50 Jahre Horrorfilmgeschichte verschlafen hat. Die Figuren erfahren – bis auf eine der Wissenschaftlerinnen – keinerlei spürbare Entwicklung, selbst diejenigen, die in einer direkten Beziehung und den dazu gehörenden Konflikten zueinander stehen nicht. Anstelle dessen wird hin und wieder ein paar mal „Buh!“ gemacht, damit der Zuschauer sich erschreckt und das filmische Fiasko dann auch noch mit einer überaus peinlichen CGI-Einlage (ein riesiger fliegender Totenschädel aus der Hölle verfolgt die letzten Überlebenden) beendet. Der Podcast ist dementsprechend albern ausgefallen. 🙂

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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