FFF 2007: Zweiter Tag

Heute das volle Programm:

The Dark Hour
The Abandonned
Dead Silence
Botched
The Ferryman

Zu „Dead Silence“ gab es den täglichen Podcast:

The Dark Hour (La hora fría, Spanien 2007, Elio Quiroga)

Für mich jetzt schon eines der Highlights des Festivals: eine Nachkriegs-Dystopie über eine Gruppe von Menschen, die sich im Untergeschoss eines Hauses vor biologisch kontaminierten Überlebenden aber auch seltsamen, Kälte verströmenden Wesen, die sie nachts heimsuchen, verstecken. Der Film schildert die Gruppendynamik minutiös, dokumentiert deren Auflösungsprozess und erzählt von einer Zukunft, in der der Tod oder die Verseuchung die bessere Alternative darstellen. Sagenhaft gute Schauspieler, großartige (beinahe verschwörerische) Kamera und ein Skript, dass seine Überraschungen nicht ankündigt, sondern sie en passent präsentiert sorgen dafür, dass „The Dark Hour“ eine gruselige, beklemmende und schließlich beinahe Depressive Atmosphäre verströmt.

The Abandoned (Spanien/UK/Bulgarien 2006, NachoCerdà)

Ein Gruselfilm, der sich um das Thema des Älterwerdens dreht: Eine 42-jährige Amerikanerin begibt sich nach Russland auf die Suche nach ihren Eltern, die sie nie kennengelernt hat. Dort stößt sie auf ein Vermächtnis: ein verlassenes Haus in den Tiefen der Wälder. In diesem Haus begegnet sie nicht nur erstmals ihrem Bruder, sondern auch seltsamen „Zombies“, die ihr und ihrem Bruder aufs Haar gleichen und sie aus irgendwelchen Gründen verfolgen und überwältigen wollen. Nach und nach beginnt das Haus die Geschichte ihrer Geburt und das Drama ihrer Eltern zu erzählen: Die Kinder wären als Babies vom Vater beinahe auf grausame Weise ermordet worden, ihre Mutter hat sie jedoch beschützt und dafür selbst mit dem Leben bezahlt. „The Abandoned“ wirft sämtliche Regeln des Geister-Gruselfilms über den Haufen, ja, mixt sie förmlich so auf, dass es völlig sinnlos wäre, die Erwartungen an den Fortgang der Handlung nach ihnen auszurichten. Anstelle dessen konfrontiert er den Zuschauer mit atemberaubend gruseligen Szenen und enthüllt sein eingangs genanntes Thema Schritt für Schritt.

Dead Silence (USA 2007, James Wan)

Wie im Podcast schon angesprochen, funktioniert der Film für mich eher als eine Hommage an die Puppen-Horrorfilme der 1940er/50er Jahre. Wan zitiert sich zudem teilweise selbst (dadurch, dass er seine „Saw“-Puppe auch mitspielen lässt) und bastelt sich mit „Dead Silence“ sozusagen rückwirkend eine eigene Mythologie. Darüber hinaus stellt der Film eine sehr gekonnte Variation, ja eigentlich schon Transzendierung des seit E.T.A. Hoffmann vielfach variierten Themas der belebten toten Materien in ihrer besonderen Beziehung zum Menschen dar.

Borched (D/Ir/UK/USA, Kti Ryan)

Was wie die x-te Variante auf Gangsterkomödien a la „Get Shorty“ beginnt, gerät zusehends zu einem B-Movie-Splatter-Albtraum, als ein Profi-Dieb von seinem Mafia-Chef nach Moskau beordert wird, um ein wertvolles Kruzifix aus einem Geschäftshaus zu stehlen. Zunächst gerät er wegen seiner cholerischen russischen Sidekicks in eine ungewollte Geiselnahme, bei der dann irgendwann die Geiseln die Oberhand gewinnen. Dann zeigt sich, dass die Bürohochhaus-Etage, in die sie dabei irgendwie geraten sind, von einem wahnsinnigen Serienmörder beherrscht wird, der sich für Ivan den Schrecklichen hält und ein fürchterliches Blutbad anrichtet. „Botched“ driftet mehr als einmal durchaus gewollt in den Fun-Splatter ab, präsentiert dabei aber leider zu häufig Situationen, wie man sie eher bei Tom&Jerry erwartet hätte (endlose Verfolgungsjagden durch die Flure der Hochhaus-Etage etwa). Zudem sieht man dem Film sein sehr geringes Budget deutlich an – das meiste Geld dürfte in die vom Metzger überreichlich besorgten Tiereingeweide geflossen sein.

The Ferryman (Nz, USA 2007, Chris Graham)

Eine ganz schlimme Gurke: Auf einem Schiff treibt der Geist eines vor dem Sensenmann flüchtenden sein Unwesen, indem er sich mittels eines magischen Messers von einem Körper in den nächsten verfrachtet und dabei über Leichen geht. Mit einem Trick lässt er sich schließlich überlisten und muss seine Reise über den Jordan dann doch noch antreten. Das Problem des Films ist nicht nur, dass die Schauspieler allesamt ziemlich verzweifelt darzustellen versuchen, was ihnen gänzlich fremd scheint (nämlich jemanden anderes), sondern vor allem die völlig langweilige und allenfalls für einen Kurzfilm in der Serie „Twilight Zone“ ausreichende Idee der Besessenheit durch einen bösen Dämon. Die Macher des Films glauben dennoch, dass der Zuschauer (ebenso wie die Darsteller) Probleme haben, zu realisieren, in wen den jetzt gerade der Übeltäter gefahren ist, und versehen diesen deshalb mit einer überdeutlichen Wander-Tätowierung. Man fühlt sich von diesem Unsinn in der Tat am Ende beleidigt.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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