Berlinale 2007: Weg von der falsch postulierten Eindeutigkeit des Raums

Schindlers Häuser (Österreich 2007, Heinz Emigholz) (Forum)

„Architektur als Autobiographie“ nennt Emigholz seine fast hundertminütige filmische Annäherung an die Gebäude Rudolph Schindlers in und um Los Angeles aus den Jahren 1920 bis 1952. Und man begibt sich dann auch bald auf die Suche nach „Selbstzeugnissen“ des Architekten in seinem Werk. Was man findet ist wenig – und vielleicht wenig aufschlussreich: Die Häuser, die oft wie ineinander verschobene Kuben aussehen, mit zahlreichen Rippen-Strukturen (innen wie außen) und freigelegten Trägerelementen, werden mit den Jahren organischer, runder, sogar Naturstein und Dachschindeln finden sich in den Häusern von Ende der 1940er Jahre. Interessanterweise verfallen die Gebäude, je jünger sie sind (und umso älter ihr Erbauer war), auch umso merklicher: Risse und Löcher im Putz, abgeplatztes und eingekerbtes Holz, teilweise regelrechter Verfall. Schuld daran trägt auch die Natur, die Schindler stets in seine Architektur mit eingeplant hat: So finden sich etwa Aussparungen in Giebeln, durch die in Jahrzehnten ein Baum gewachsen ist, der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes noch gar nicht da gewesen sein kann. Schindler hat das mit eingeplant und seine Architektur sogar stets im Zusammenhang mit der sie umgebenden Natur geplant.

Natürlich ist ein Film über Häuser, der ihr Inneres und Äußeres zeigt, auch ein Film über den Raum. Emigholz ist sich dessen bewusst und forciert Perspektiven auf Architektur, die Räume bewusst verändernd wahrnimmt. Die Kamera bewegt sich selbst nie; aber ihre Einstellungen sind sonderbar schräg, ihre Bilder verstellt von Details (der Häuser oder der wuchernden Pflanzen), so dass der Blick gezwungen ist, Maß zu finden und die Eigenschaften des jeweiligen Raumes erst aus dem Bild herauszuarbeiten. Auf diese Weise beginnt der Film nach und nach eine „Erzählung“ zu entfalten, die von einem Architektenleben handelt und von der Suche nach den Spuren des Künstlers in Zeit(wundmalen) und Raum(strukturen).

Besonders erwähnenswert ist das Presseheft zu „Schindlers Häuser“, das komplett vom Medienwissenschaftler Marc Ries erstellt wurde. Ries liefert in einem Essay eine beinahe erschöpfende Annäherung an den Film (die mir viel Wind aus den Segeln für einen eigenen Text genommen hat) und ergänzt dies noch durch ein ausführliches und kluges Interview mit dem Regisseur. Das erlebt man wirklich sehr selten, dass ein Pressetext auf solchem Niveau den Filmtext ergänzt, anstatt ihn nur bewerbend zu wiederholen.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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