30 Jahre später …

Es ist schon erstaunlich, wie sehr die deutsche Filmkritik zwischen 1931 und 1960 ihre Rhetorik und Argumentationsstrategie gewandelt hat!

Zu Fritz Langs "M – Eine Stadt sucht einen Mörder" spricht Gabriele Tergin in "Die Weltbühne" (23.09.1931) von:

"Konjunkturausnutzung. Eben noch der Tiermensch vor Gericht, schon auf der Leinwand. […] In diesem Film kommt alles vor, was sonst die Zensur noch in ihren harmlosesten Abarten streicht: Der Mörder greift in die Tasche, wetzt das Messer, sadistischer kann eine Szene nicht sein. […] So wirkt es auf die rohesten Instinkte, die überall schlummernde Grausamkeit.“

Zu Michael Powells "Peeping Tom" schreibt der/die Autor/in "Pem." von der Londoner Premiere für den "Mannheimer Morgen" (am 23.04.1960) und für die "Basler Nationalzeitung" (am 18.06.1960):

"Die Morbidität dieses pathologischen Einzelfalls lässt sich nur mit der Absicht entschuldigen, einen Gruselfilm mit kitschigen Ambitionen zu schaffen, also niedrigsten Publikumsinstinkten entgegenzukommen. Da wird keine Geschmacklosigkeit ausgelassen; und es ist doppelt peinlich zu sehen, dass das Ganze als ‚psychologischer Grenzfall’ ausgegeben wird. […] nur ein krankes Gehirn kann sich diese Handlung ausgedacht und geglaubt haben, man könne damit Geschäfte machen. Karl Heinz Böhm, der in Stimme und Benehmen Peter Lorre kopiert, hat gar keine Chance, als Lustmörder mit der Kamera unser Mitleid zu erregen, weil die Gestalt unkontrollierbar und unglaubhaft ist."

Ich bin schon gespannt, ob ich einen analogen Text für 1990 ("Silence of the Lambs") finden werde.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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