David Mann gegen Goliath

Duel (USA 1971, Steven Spielberg)

Was waren das noch für Zeiten, als Spielberg den Film noch als allegorische Kunstform nutzte.

Sicherlich: Besonders Komplex waren seine Werke von 1971 (Duel) bis
1991 (Hook) nur selten. Und glaubt man der Spielberg-Exegese, ging es
im Hintergrund auch stets um den immer selben Konflikt des Menschen,
der erwachsen werden soll/will/muss und den äußere Bedrängungen über
diese Grenze führen sollen.

In „Duel“ ist dieser Background wohl am klarsten, was vor allem an der
extremen Reduktion des erzäherischen Kontextes liegt: Der gestresste
David Mann will einen Geschäftstermin erreichen. Auf einer Landstraße
überholt er einen schmutzigen Tanklastzug, welcher ihn kurze Zeit
wieder ein- und überholt. Nun beginnt ein Spiel von gegenseitigem
Überholen, Versperren und Bedrohen, das für David immer gefährlichere
Züge annimmt. Als er nach einem beinahme-Unfall in einem Café eine
Pause macht, sieht er, nach kurzer Zeit, dass auch der Tanklaster vor
dem Laden steht und beginnt sofort jeden der Gäste als dessen Fahrer zu
verdächtigen … ohne Erfolg. Die Jagd auf der Straße geht bald weiter
und wird nun für David lebensgefährlich. Erst mäht der Lastzug eine
Telefonzelle um, in der David steht und die Polizei alarmieren will
(kurz vor dem Aufprall kann sich David retten). Dann beginnt der Truck
Davids Wagen zu rammen und ihn mit hoher Geschwindigkeit vor sich
herzujagen.

David, der die Herausforderung des Tanklastzuges die ganze Zeit nicht
annehmen, den Konflikt anderweitig bewältigen will (Flucht, Aussprache,
Resignation, Tricks, …), überlebt die Jagd nur deshalb, weil er sich
dem Tanklastzug schließlich stellt und ihm ein Opfer bringt, das ihm
zuvor sehr am Herzen gelegen hat (sein eigenes Auto). Die
(arche)typischen Konfliktsituationen, die sich hinter dieser Erzählung
verbergen, drängt Spielberg schon bald in den Vordergrund. Im Radio
hört David zu Anfang des Films eine Sendung, in der ein Mann sich
beschwert, zuhause die Hosen nicht anzuhaben. Bei einem späteren
Telefonanruf versucht sich David bei seiner eigene Frau dafür zu
entschuldigen, dass er ihr einen Abend zuvor einen aufdringlichen Kerl
nicht vom Hals gehalten hat. Es geht also um das Abstecken und das
Verteidigen vom eigenen Terrain, dass stetig bedroht wird und im
mysteriösen Tanklaster seine Manifestation erfährt.

Derlei Konfliktstoffe finden sich in Spielbergs ersten 20
Künstlerjahren zuhauf (Jaws, E.T., Empire of the Sun, Always) … sie
werden dann aber zusehends seltener, vor allem durch die bombastischen
Produktionen seltener auffindbar. Die Klarheit, mit der er seine
Geschichte in „Duel“ bebildert ist großartig. Vor allem die
Kameraarbeit, die dem Zuschauer rhythmisch extrem austariert
Subjektiven von David, von Davids Auto, vom Tanklaster, vom
Tanklaster-Fahrer und scheinbar neutrale Perspektiven vom Straßenrand
bietet, führt den Betrachter mehr und mehr in die Breduille – das ist
Suspense auf höchstem Niveau. Zwischen Ohnmacht und Aggression
changiert der Emotionshaushalt auf beiden Seiten der Leinwand – im
Vordergrund steht aber die Frage nach der Identität des Angreifers.

Diese Identität – und das unterscheidet „Duel“ am meisten von allen
späteren Filmen Spielbergs, bleibt aber im Dunkeln. Die Gefahr wird
besiegt, ohne dass der Angreifer je identifiziert wird. Er bleibt
einfach eine mit der Maschine verschmolzene (oder gleichgesetzte?)
Bedrohung. Der Konflikt wird damit von Spielberg in das Korsett der
Allegorie gezwungen – eine geniale Erzählstrategie, die zum Nachdenken
regelrecht zwingt. „Duel“ scheint mir von allen Filmen Spielbergs der
filmischste zu sein, derjenige, der das Handwerk als Kunstform
einsetzt, die einen Zweck erreichen will. Die Distanz zu Filmen wie
„Amstad“ oder „Schindler’s List“ ist unendlich groß – sind diese doch
mehr Filme, die ihre Bilder nur noch benötigen, um das Publikum mit
Spielbergs erzähltem Geschichtsverständnis zu „behelligen“.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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