Salò – Stoß das Tor zur Peinlichkeit auf

Salò o le 120 giornate di Sodoma (Italien 1976, P. P. Pasolini)

bei wohl keinem Film driften mein persönlicher Geschmack und die
Bedeutung, die die Filmgeschichte dem Werk zumisst, so auseinander, wie
bei Pasolinis „Skandalfilm“ Salò.

Sicherlich, sowohl das Motiv des Films (die Parabel auf den Faschismus)
wie auch die technische Ausführung machen Salò zu einem ungeheuer
wichtigem und einflussreichem Werk. Und dennoch ist mir der Film, seit
ich ihm zum ersten Mal gesehen habe (das war 1987), immer ungeheuer
„peinlich“ gewesen.

Die infantile Art der Provokation, die einfach zwei moralisch diametral
entgegen gesetzte Topoi, die aber demselben Diskurs entstammen,
einander gegenüber stellt: Jungfernschaft und Orgie, Christlicher
Glaube und Sünde, Ekel und Ausschweifung … sie verbleibt vollends im
System, das sie doch eigentlich zu subvertieren versucht. Da treten
Männer in Frauenkleidern auf, da müssen Menschen sich wie Hunde
benehmen und feine Damen singen von ihren ersten
Analverkehr-Erlebnissen. Eine derartige dialektische Betriebsblindheit
ist mir selten untergekommen.

Die einzige Grenze, die Salò ständig überschreitet, ist die der
Albernheit. Alles, was an de Sades Stoff gereizt hat (vor allem die
unsägliche Langeweile und Dekadenz), überführt Pasolini in die
Karikatur. Die Provokation ist dabei derartig gewollt und folgt so
sturen rhythmischen Prinzipien, dass ich mich irgendwann nur noch vor
„Mit-Scham“ mit den Darstellern abwende und im Schnellvorlauf
weitergucke.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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