End/Zeit/Geschichte/n des Computers. Das Telos des Rechners und die Unendlichkeit des Rechnens

Am 23. September findet im Rahmen des paraflows-Festivals das Symposium „End/Zeit. Das Apokalyptische zwischen Politik, Prognose und Technologie“ statt – mitorganisiert von Thomas Ballhausen und Judith Schößbeck (einer Ex-Post-Apokalpytikerin). Dazu steuere ich einen Vortrag mit dem Titel „End/Zeit/Geschichte/n des Computers. Das Telos des Rechners und die Unendlichkeit des Rechnens“ bei, in dem ich zwei Zeitfiguren des Computers einander gegenüberstelle: die beständige externe „Drohung“ der Endlichkeit (z.B. der Schrumpfung) und die immerwährende innere „Drohung“ der Unendlichkeit des Rechnens (etwa in Form des Halteproblems):

Seit es Computer gibt, werden ihnen Endziele zugeschrieben: Die sukzessive Verkleinerung ihrer Hardware steuert auf ihr vollständiges Verschwinden im “ubiquitous computing” (Mark Weiser) zu, die fortschreitende Verringerung der Chipflächen (Moore’sches Gesetz) auf die Indifferenzierbarkeit von Informationseinheiten (Signal versus Quantenrauschen), die sukzessive Vernetzung von Computer auf ihre “Auflösung in Dienste” (Claus Pias) und so weiter. Von außen betrachtet scheint es so, als benötige die Computertechnonolgie solche ständigen Untergänge ihrer technischen Existenz(en) für ihre Fortentwicklung. Aus dieser Perspektive leitet sich alle bislang formulierte Geschichtsschreibung des Computers ab, die chronologisch einzelne Etappen (Epochen, Geräte, Firmen etc.) sukzessive abläuft, um am Ende stets einen Fluchtpunkt auszumachen. Die Innenperspektive der Computer selbst offenbart hingegen einen stetigen Kampf gegen die Unendlichkeit: Das Halteproblem (Alan Turing) tritt auf, wenn ein Algorithmus (potenziell) ewig weiter rechnet, ohne auf eine Lösung stoßen zu können, Abstürze zeigen sich auf Maschinensprache-Ebene als Endlosschleifen und rekursiv programmierte Funktionen ohne Abbruchbedingung rufen sich ad infinitum selbst auf und bringen den Speicher zum Überlaufen.

Der Unterschied zwischen den beiden Zeitfiguren endlich/unendlich rührt nur augenscheinlich daher, dass die erste die Hardware und die zweite die Software betrifft. Wenn man sich vor Augen hält, dass Software nicht mehr als symbolische Maschinen und Hardware nicht weniger als materialisierte Diagramme/Strukturen darstellt, lassen sich beide Problemfelder ineinander überführen. Mein Vortrag will versuchen diese beiden Zeitfiguren – die menschlich prognostizierten “Enden des Computers” und die technisch informierten “Unendlichkeitsprobleme von Algorithmen” – phänomenologisch, historisch und techno(-)logisch einander gegenüberzustellen. Aus dieser Gegenüberstellung soll der Versuch münden, die eschatologische bzw. deterministische Geschichtsschreibung (Hayden White) des Computers als eine diesem “zeitkritischen Medium” inadäquate Form der Beschreibung darzustellen. Als Alternative soll folgende Frage gestellt werden: Wie sähe eine Historiographie aus, wenn man den operativen Computer seine Geschichte selbst schreiben ließe? Sie müsste dem Medium angemessen, ebenfalls ein operativer Prozess sein, der sich jenseits des Diskurses schreibt. Um das Aufschreibesystem dieses “Endes der klassische Computergeschichte” zu skizzieren, werden die drei oben vorgestellten Unendlichkeitsphänomene in ihrer algorithmischen Form bei einer Demonstration in ihrer technischen Funktion und medientheoretischen Relevanz vorgestellt, aufgerufen und (natürlich) vorzeitig abgebrochen, um sich nicht bis zum Ende aller Tage weiter zu erzählen.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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