Dr. Who and the Daleks (UK 1965, Gordon Flemyng) (DVD)
Dass die Daleks gar keine Roboter sind, ist dem Serienzuschauer von „Dr. Who“ natürlich längst – genau genommen seit über 40 Jahren – klar: Es handelt sich um Mutanten, die in robotischen Exoskeletten leben. Eigentlich sind es also Cyborgs, die den Anschein des Robotischen erwecken. Darüber hinaus bietet der Film, der der erste von zwei frühen Kino-Spinoffs der TV-Serie ist, noch eine Reihe anderer interessanter Themen und Motive, die es zu reflektieren lohnt.
Da wäre zunächst abermals das Phänomen der Zeitreise, bzw. der Raum-Zeit-Reise mit Hilfe des T.A.R.D.I.S., die Dr. Who auf eine ferne Welt namens Skaro führt. Wieder einmal ist es eine Zeitreise aus Versehen, die der Verlobte von Dr. Whos Tochter (?) auslöst. Er besucht die Familie, die vom Kind bis zum Großvater mit dem Lesen wissenschaftlicher Bücher („The Science in Science“) beschäftigt ist. Dr. Who zeigt dem Schwiegersohn in Spe beim Warten auf die Angebetete stolz seine neu gebaute Zeitreise-Maschine im Garten, die von außen wie eine Gartenlaube aussieht, innen jedoch groß wie ein Einfamilienhaus ist und Technik en masse birgt. Der etwas tollpatschige Schwiegersohn stolpert über den Aktivierungshebel und befördert die T.A.R.D.I.S. in die Zukunft von Skaro.
Dort herrscht Postapokalypse und es gibt nur noch eine Stadt: die der Daleks, etwa 1,50 Meter großer, runder Maschinenkörper, die über abgehackt intonierte englische Sprache miteinander und dann mit Dr. Who und seinen drei Gefährten, die sie gefangen nehmen, kommunizieren. Die Daleks sind sowohl von ihrem Wesen als auch von ihrer Cyborg-Erscheinungsweise direkte Vorfahren der Borg aus „Star Trek“. Auf der anderen Seite der Stadtmauern leben die Thals, Mutanten, die aus dem Atomkrieg hervorgegangen sind – ihre Mutatiionsstufe hat sich evolutionär schon wieder an die Umwelt angepasst: „two hands, two eyes, best for survive“ – best for special effects ebens, möchte man meinen. Der Ausstatter hatte den Darstellern nur noch silberne Klamotten anzuziehen und ein bisschen blauen Lidschatten aufzutragen. Nun, da die Daleks sämtliche Vorräte des Planeten horten und die pathologisch friedfertigen Thals zudem ständig mit ”extermination“ bedrohen, bleibt Dr. Who und seinen Gefährten nichts anderes übrig, als ein bisschen Aggression unter den Mutanten zu säen, die dann schließlich auch zum finalen Zusammentreffen und zum Sieg über die Daleks führt.
Die Daleks sind „afraid of anything different“, wollen alles und jeden „exterminieren“, befürchten aber auf der anderen Seite auch, der „radiation sickness“ ausgesetzt zu werden, wenn sie ihre Stadt verlassen. Sie sollen als Inbegriff des xenophoben Aggressors gesehen werden, der das genaue Gegenteil der blonden, blauäugigen und pazifistischen Thals darstellt. Dass die Daleks den Thals zudem abermals mit nuklearer Vernichtung drohen („This is the final battle. When we explode the neutron bomb there will be more radiation on this planet than even the Thals with their drug can survive. Destroy the Thals tonight will complete the war wich should have won many centuries ago.“), macht sie umso nachvollziehbarer zu Zielen der menschlichen/Thal’schen Aggression und Gewalt.
Dass die Daleks zudem eine Neutronenbombe einzusetzen planen, scheint auf den ersten Blick nur konsequent, da diese Waffe ja vor allem gegen Lebenwesen, nicht aber gegen Bauwerke und technische Geräte wirksam sein soll – und, wie zitiert, auch durch das von den Thals verwendete Anti-Strahlen-Elexir nicht neutralisiert werden könnte. Wären die Daleks also tatsächlich Roboter, wäre es die sinnvollste Art der Bedrohung gegen die Thals. Mutanten, die die Daleks ebenfalls sind, würden sie natürlich die Opfer ihrer eigenen Waffe (Neutronenstrahlung lässt sich vergleichsweise schwer abschirmen.) Hier zündet der Film einige narrative Nebelkerzen, passt aber in den zeithistorischen Diskurs. Diese Art der Kriegsführung wurde nämlich bis in die 1970er-Jahre als besonders „sauber“ diskutiert, weswegen ihr Eingang in den Filmplot für genau diesen Zweck plausibel erscheint. Aus der Distanz betrachtet treten die Daleks in diesem Diskurs also nicht bloß durch ihre Bombenform, sondern auch durch die Verwendung dieser „exterminierenden“ Technik als deren Sinnbild auf – und schreiben das Motiv der 50er-Jahre-Filmroboter weiter.
Beeindruckend an „Dr. Who and the Daleks“ ist in diesem Diskurs ebenso die Darstellung der einer postapokalyptischen Welt, zerstört durch einen „konventionellen“ Atomkrieg: Alle Tiere und Pflanzen sind zu Asche zerfallen; der Schwiegersohn stolpert gleich zu Beginn wieder zwei mal und bricht beim ersten mal einen versteinerten Baumast ab; beim zweiten Sturz zerkrümelt er ein auf dem Boden hockendes, erstarrtes Tier. Das Bild der postatomaren Wüste ist ja bereits aus „The Time Travelers“ bekannt, das mit „Dr. Who and the Daleks“ noch andere Motive teilt. Der markanteste Unterschied ist, dass der Film letztlich nicht die Chuzpe besitzt, ein „Planet der Affen“-Ende als Pointe einzusetzen: Es ist nämlich tatsächlich eine fremde Welt, auf die Dr. Who mit seinen Gefährten durch die Raum-Zeit-Maschine gelangt, was ihn als pazifistische Warnung etwas abschwächt. Darin folgt er der TV-Serie und ihrem Dalek-Thal-Motiv – nicht aber dem politischen Subtext der 60er-Jahre-Roboter-Filme.
Das zweite Spinoff „Daleks‘ Invasion Earth: 2150 A.D.“ behandelt abermals eine Zeitreise in die Zukunft – dieses mal allerdings in die Zukunft der Erde, die durch die Daleks (also die robofizierten Neutronenbombe) heimgesucht wird. Ich schreibe in Kürze darüber …
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Was würden die Daleks machen, wenn sie ihr Ziel erreichen würden und tatsächlich alle nicht-daleks ausrotten würden?
Wenn ihr Sinn nur darin besteht, alle nicht-Daleks auszurotten, sind sie selbst sinnlos und überflüssig, wenn es keine nicht-daleks mehr gibt.
Fehler in der Konzeption.
Wieso ist das ein Fehler? Vielleicht existieren die Daleks nur im Hier&Jetzt und interessieren sich nicht für die/ihre Zukunft. So ähnlich ist das bei Krankheitserregern nicht- oder schweransteckender Krankheiten ja auch. Die sterben ja auch zwangsläufig mit ihrem Wirt.