Der Computer als Medium

Die Maschine (La machine, F 1994, François Dupeyron) (DVD)

Gestern Vormittag habe ich noch im Rahmen einer Diskussion um Rorvics Cyborg-Theorien von der „Medialität des Computers als Mensch-Mensch-Schnittstelle“* gelesen; und gestern Abend bietet sich dafür auch gleich das passende filmische Bild:

Der Computer als Tauschmaschine

Ein Horror-Thriller mit Gerard Depardieu in der Rolle eines Psychiaters und Neurologen, der „eine Maschine“ erfunden hat, mit der er die „Gehirninhalte“ zweier Personen austauschen kann. Weil sich der Arzt aber nicht nur für Technik, sondern auch für Serienmörder interessiert, leiht er sich für einen Selbstversuch einen mehrfachen Frauenmörder aus der Psychiatrie aus und tauscht mit ihm die „Gehirninhalte“, um auf diese Weise herauszufinden, wie solch ein Mensch tickt. Dass sich das Ganze dann als Körpertausch offenbart und der Psychiater im Anschluss an den Tausch so schlau wie vorher ist – sich nun allerdings im Körper seiner Versuchsperson befindet -, hätte er ja eigentlich vorhersehen können. (Natürlich ließe sich die Story auch als Computerisierung des allzu bekannten Robert-Louis-Stevensen-Stoffes lesen.) Dumm nur, dass der Wahnsinnige jetzt den Körper des Psychiaters dazu missbraucht, den Arzt einsperren zu lassen und sich in dessen Privatleben zu vergnügen. Zunächst ermordet er die Geliebte, dann bedroht er die Frau und den Sohn – freilich ohne dass die von der Bedrohung ahnen. Zuletzt gelingt es dem Psychiater aus der Anstalt auszubrechen; der Wahnsinnige hat zwischenzeitlich aber noch einmal die Körper getauscht: Nun ist er im Körper des Psychiater-Sohnes und der Geist des Sohnes im Körper seines eigenen Vaters. Ich höre besser auf … das muss man gesehen haben.

Die Medialität des Computers ist hier natürlich im doppelten Wortsinne zu verstehen, denn was der Rechner hier leistet, ist nichts geringeres als die Aufgabe eines okkultistischen Mediums zu übernehmen und Geisterwanderung zu ermöglichen. Dies vermag er auch nur deshalb, weil der Wissenschaftler irgendwie herausgefunden hat, wie sich der Inhalt des Gehirns in eine Datenbank einlesen und dann in ein anderes Gehirn überspielen lässt. Dass Computer dazu in der Lage sind, ist das fantastische Pradigma des Films, wird aber gar nicht näher aspektiert noch überhaupt hinterfragt. Es reicht, dass sich der Rechner ein Bild vom Inneren des Menschen machen kann, um damit seine Geheimnisse zu entzaubern.

Der Mensch zwischen den Computern

Es gibt lediglich zwei Sequenzen, in denen die dazu nötige Apparatur vorgeführt wird: die erste nach etwa 20 Minuten, in der die erste Übertragung eingeleitet wird, die zweite kurz vor dem dramatischen Höhepunkt, wenn der Killer sich in den Sohn des Psychiaters transferiert. Die Knappheit dieser technischen Vorführungen koinzidiert mit der relativen Unausgesprochenheit des Vorgangs im Plot: Der Psychiater erzählt niemandem von „der Maschine“; einzig seine Geliebte weiß von seinen Forschungen (die damit wohl offenbar privat finanziert sind). Dass von dem Computer-Set stets – und im emphatischen Sinne – als „die Maschine“ gesprochen wird, offenbart vielleicht auch schon das ganze Problem: Ein Computer ist eben nicht einfach „eine Maschine“, sondern ein technisches Medium, das Signale nicht bloß aufnimmt, speichert und ausgibt – sondern sie darüber hinaus auch verarbeitet. Es offenbart diese Fähigkeit zwar in Form okkultistischer Praktiken, verliert jedoch zu keiner Zeit seinen eigentümlichen Charakter, gerade weil der Mensch in Beziehung zu ihm bzw. zwischen ihm steht:

„Seit von künstlicher Intelligenz gesprochen wird, ist die Mensch-Maschine-Schnittstelle skalierbar zwischen der Adaption der Maschine an den Menschen – von McLuhans Konzept der ‚Extensionen‘, Englebarts ‚Augmentation‘ bis zur neuesten neurologischen Prothetik – und der Adaption des Menschen an die Maschine – von der Fließbandarbeit über die Einpassung in technische und mediale Infrastrukturen bis zur Cyborgisierung […]. Es geht dabei nicht weniger als um die Identität des Menschen im Verhältnis zum Computer. Zwischen Technikaneignung des Lebens, der Körper und Computer immer wieder neu zu bestimmen abhängig vom Leistungsvermögen der Rechner (z.B. im Grafikbereich) und Netze (z.B: Bandbreiten) sowie von den Gebrauchsdefinitionen, die Menschen im Umgang mit ihnen (er-)finden.“**

* G. Rusch/H. Schanze/G. Schwering (Hgg.): Theorien der neuen Medien. Kino – Radio – Fernsehen – Computer. Paderborn: Fink (UTB) 2007, S. 370.

** Ebd., S. 369.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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