Zwischen zwei Pole bringen …

The Thing from another World (USA 1951, Christian NyBy) (DVD)

Zum Abschluss des postapocalypse.de-Wochenendseminars habe ich mir mit Patrick einen Paranoia-SF angesehen: „The Thing“, einen der wichtigsten und einflussreichsten Beiträge aus den 1950er-Jahren. Natürlich kann man Nybys Film als Versuch des Produzenten Howard Hawks sehen, seine Western-Thematik nach Alaska zu prologieren, aus den „Bandits“ einen Außerirdischen zu machen und die eingeschworene und eingesperrte Gemeinschaft – wie etwa in „Rio Bravo“ – mit einer scheinbar unlösbaren Aufgabe zu konfrontieren. So richtig interessant wird es aber erst, wenn man die Basalstruktur dieser Erzählung(en) offenlegt. Und der Film bietet dafür sogar ein Bildmotiv: den elektrischen Strom:

thething

Anders als in den Western ist das Alien nämlich ein Feind, der eine dritte Kategorie vertritt, die sich der den Protagonisten bekannten Dychotomie von Freund-Feind zunächst entzieht. Dass die Wissenschaftler das Alien am ehesten mit einer Pflanze vergleichen würden, macht dieses Einordnungsproblem schon plastisch. Das Monster ist „neutral“: Es ist weder Tier noch Mensch, weder Mann noch Frau. Dass es das Blut der Menschen für Ernährungszwecke missbraucht, deutet einer der Wissenschaftler (die wie immer im Konflikt mit den Militärs stehen, wenn es um die Frage geht, was mit dem „Feind“ zu machen sei) als nicht-feindschaftliches Verhalten. Es ernähre sich: „Es verhält sich uns gegenüber wie wir uns gegenüber einem Weizenfeld.“ Das Monster muss also zunächst „polarisiert“ werden, also zwischen zwei Pole gebracht werden.

Hierzu wird eine Stromfalle aufgestellt, in die es tappen soll. Dass es zunächst neben dem stromleitendenden Weg her läuft, anstatt auf dem elektrischen Feld zu wandeln, ist wiederum sinnbildlich. Als es sich jedoch endlich zwischen Anode und Kathode befindet, kann es vernichtet werden, indem die Generator-Spannung von 50.000 Volt durch seinen wohl ursprünglich nur schlecht leitenden Pflanzenkörper hindurch gejagt wird, in ihm (endlich!) eine Elektrolyse stattfindet, sich positive von negativen Teilchen separieren, es polarisiert wird und damit der bipolaren Dichotomie der Logik des Kalten Krieges untergeordent wird.

Denn um den „Kalten Krieg“ geht es eigentlich in „The Thing“. Alaska, den Russen abgetrotzt und diesen ganz nahe, ist der Handlungsort. Das Ufo des Aliens wird zunächst für ein feindliches Flugzeug gehalten. Was man als seine „Ladung“ annimmt, zeigt sich schon dadurch, dass Geigerzähler in Position gebracht werden, als man sich ihm nähert. Und als sich das Alien dann auch noch selbst als radioaktiv erweist – immer wenn es sich nähert, schlägt der Geigerzähler aus – ist schnell klar, dass es sich um eine wandelnde Kriegsmetapher handelt. Radioaktivität ist ionisierende Strahlung, die entsteht, wenn das „atomare Gleichgewicht“ zwischen positiv geladenen Protonen und negativ geladenen Elektronen durcheinander gebracht wird. Das strahlende Alien ist zwar selbst unpolarisiert, polarisiert aber seinerseits. Physikalische und politische Metaphorik im Gleichschritt.

„The Thing“ spiegelt dieses Motiv noch an zwei weiteren Figuren: Zum einen zeigt es einen „Captain“, der sich offensichtlich in einer nicht-definierten emotionalen Situation bezüglich einer der anwesenden Frauen befindet. Er findet sie anziehend und abstoßend gleichzeitig. Seine ganze Umgebung versucht ihn zu ihr hin zu treiben, irgendwie den Mann in ihm zu wecken, der sich der Frau nähert und sie heiratet. Das geht so weit, dass sich die Frau ihm selbst wie Sauerbier anbietet, unverholen von Hochzeit und vom Kinderkriegen spricht. Der Captain will davon aber erst etwas wissen, nachdem er das Monster besiegt hat. Erst dann scheint er sich über seine Polung vollständig klar zu sein.

Eine andere, eher dem Alien gemäße dritte Macht spielt im Film ebenfalls eine Hauptrolle: Es ist ein Journalist anwesend, der der Öffentlichkeit, „der ganzen Welt“, wie er sagt, liebend gern berichten würde, es aber nicht darf. Er muss seine Story so lange zurück halten, bis er selbst seine neutrale Position verlassen hat, ebenfalls polarisiert wurde und dann, ganz im Sinne der US-amerikanischen Verteidigungsdoktrin den Schlusssatz äußert: „Watch the Skies!“ Dazu musste er nicht erst elektrifiziert werden, es hat gereicht, ihm zu ziegen, was mit mit Unparteiischen passiert, wenn sie zwischen die Pole geraten.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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