Fliegende Untertassen greifen an (Earth vs. the Flying Saucers, USA 1956, Fred F. Sears) (DVD)
Durch den kürzlich hier geposteten Web-Zufallsfund „Starring the Computer“ und die Frage, welches wohl der erste echte „Computer“ gewesen ist, der in einem Film zu sehen war, bin ich auf einen alten Science-Fiction-Film aufmerksam geworden, den ich schon seit Jahren nicht mehr gesehen habe und den ich mir nun noch einmal unter dem Blickwinkel der Technik- und Rechner-Inszenierung angeschaut habe. Zu sehen gibt es darin nämlich haufenweise Analog-Technik:
Die Story wirkt zunächst wie die eines typischen 50’s paranoia SF: Außerirdische bereiten eine Invasion auf die Erde vor und beginnen damit fatalerweise in den USA, wo ein findiger Raketen-Wissenschaftler lebt, der ihre Pläne durchschaut. Er tritt zunächst mit ihnen in Kontakt, findet dann eine Schwachstelle in ihrer Verteidigung und schafft es eine Waffe zu konstruieren, die die Invasion aufhält und die Außerirdischen vernichtet. Der politische Invasions-Diskurs ist die sich zuerst aufdrängende Lesart: Die Außerirdischen werden als gleichgeschaltete, gesichtslose Bedrohung mit verstandesmanipulierenden Fähigkeiten vorgestellt – also als Kommunisten.
Dass die Story jedoch deutliche Ambivalenzen enthält, ist wahrscheinlich nicht erst aus der zeitlichen Distanz von 60 Jahren zu bemerken. (Insbesondere vor dem Hintergrund der Travestie des Films in Tim Burtons „Mars Attacks!“, der zahlreiche Anleihen und Zitate an „Earth vs. the Flying Saucers“ enthält, wird diese Ambivalenz deutlich.) Zunächst sind es ja die Außerirdischen, die den kommunikativen Kontakt aufnehmen. Daraufhin werden sie aber von den Menschen beschossen und verteidigen sich dann. Sie wollten eigentlich um Asyl zu bitten (sie sind heimatlos gewordene Flüchtlinge) und deshalb eine Konferenz mit den Menschen anberaumen. Die findet jedoch aufgrund des Invasionsverdachts nicht statt. Grund für den Konflikt ist ein Missverständnis oder besser noch ein gegenseitiges Missverstehen, das die aggressiven Handlungen in Gang setzt und eskalieren lässt. Und „Kommunikation“ in seinen vielfältigsten Ausprägungen ist dann auch das zentrale Motiv des Films.
Zunächst zeigt „Earth vs. the Flying Saucers“ die fehllaufende Kommunikation zwischen Menschen und Außerirdischen: Aufgrund einer Eigenzeit-Differenz (der Film baut hier Anspielungen an die spezielle Relativitätstheorie ein) wird die erste von den Außerirdischen übermittelte Audiobotschaft als „meaningless sound“ interpretiert – ein sinusförmiger Brummton, der an das Sirenengeheul erinnert, das die zweite Hälfte des Films akustisch dominiert. Die Außerirdischen verstehen nicht, warum die Menschen sie angreifen, obwohl sie ihre Absichten doch akustisch deutlich kundgetan haben. Erst als das Tonbandgerät des Wissenschaftlers aufgrund eines Stromausfalls langsamer abläuft, bekommt der „meaningless sound“ auf dem Band eine Bedeutung: Zeit und Ort eines Treffens werden darin bekannt vorgeschlagen. Bei einem zweiten Versuch mit den Menschen Kontakt aufzunehmen haben die Außerirdischen sich mittlerweile der Kommunikationsgeschwindigkeit der Menschen angepasst: Sie übertragen eine in jedem Empfänger hörbare Warn-Meldung, dass der Menschheit eine Naturkatastrophe bevorsteht. Wo zuvor ihre Präsenz noch sämtliche Telefone und Rundfunkempfänger gestört hat, versorgt sie diese nun mit (über)lebenswichtigem Content.
Auch das deutet schon auf die eher guten Absichten der Außerirdischen hin und lässt vermuten, dass die erste Aggression auf einem gegenseitigen Missverständnis beruhte: Die von den Menschen ins All geschossenen Raketen dienten der Forschung, wurden aber als Waffen missverstanden und von den UFOs abgeschossen. Die letzte zerstörte Rakete, die mit einer „TV camera and microphones [sic!]“ ausgestattet war, hatte dann allerdings schon den Charakter einer Aufklärungswaffe. Dennoch bekundet später einer von den Außerirdischen seine Irritation über dieses mehrfache anfängliche Kommunikationsversagen: „We had hoped the time differential between us would have been adjusted.“ – Die Maschine, mit der derartige kommunikative Differenzen ansatzweise beseitigt werden könnten, wird allerdings erst später in den Film eingeführt. Zunächst geht es weiter mit den „Missverständnissen“:
Der Wissenschaftler versucht nun „Feuer mit Feuer“ zu bekämpfen: Die Außerirdischen haben die Zentrale seiner Raketen-Station mit Schallwellen-Kanonen zerstört. Also baut er ebenfalls eine Waffe, die Töne einer bestimmten Frequenz abstrahlt, um damit die UFOs zu beschädigen. Eine Sound-Kanone, die sich im Labor-Experiment zwar als wirksam erweist, in der Praxis (d.h. im Kampf gegen die UFOs) aber aufgrund ihrer mangelnden Reichweite (Lautstärke) versagen wird. Sie wird durch eine Kanone, die magnetische Strahlen aussendet, ersetzt. Die erste Waffe ließe sich leicht auch als akustische Antwort der Menschen auf den aggressiven „Zuruf“ der Außerirdischen interpretieren – dass die Kanone nicht vwerwendet wird, zeigt sich vor diesem Hintergrund als ein weiterer Aspekt der asynchronen Kommunikation beider Spezies.
„Sound“ ist aber nicht die einzige destruktive Kommunikationstyp der Außerirdischen – sie besitzen auch eine intrusive Technologie, mit deren Hilfe sie Gedanken lesen können: eine „infinetly indexed memory bank“ (in der deutschen Fassung kurz als „Gehirn-Akkumulator“ bezeichnet) – ein Datenbank-System, mit dem sie den kompletten Inhalt eines menschlichen Gehirns auslesen, speichern und bei Bedarf abrufen können. Dass sie dies zuerst bei einem entführten General machen, lässt sie militärisch umso gefährlicher erscheinen; aber auch hier wird der Hirn-Inhalt lediglich dazu genutzt, um sich der menschliche Kommunikation anzunähern – immerhin ist der entführte General der Schwiegervater des Wissenschaftlers. Die Fähigkeit Gedanken zu lesen wird von diesem jedoch als noch größere Bedrohung empfunden, woraufhin eine weitere menschliche Technologie zum Einsatz kommt: Der „Computer“ …
Der obigen Ausschnitt zeigt die kurze Screentime des verwendeten Rechners – es ist besagter Analogcomputer „Differential Analyzer“. Einmal ganz davon abgesehen, dass das Gerät seinen Namen daher hat, dass mit ihm Differenzialgleichungen gelöst werden sollten, bekommt die Bezeichnung „Differential Analyzer“ hier eine zusätzliche technik-metaphorische Komponente. Zunächst erbeuten die Militärs einen Helm der Außerirdischen (welcher dem „Bureau of Standards“ zufolge aus „solidified electricity“ besteht!), den sie „hacken“ und dabei auf ein darin implementiertes „language translating device“ stoßen. Dieses soll dazu genutzt werden, ein „dictionary“ herzustellen, mit dem die Kommunikation der Außerirdischen untereinander dechiffriert werden kann. An dieser Stelle kommt der „Differential Analyzer“ ins Spiel, der im Film als „Electronic Translator“ vorgestellt wird. Es ist eine wahre Wundermaschine, die – wie im obigen Filmausschnitt zu sehen ist – nicht nur übersetzt, sondern auch noch niederschreibt, was die Außerirdischen planen.
Der Computer wird hier also keineswegs dazu verwandt, die Differenzen zwischen Menschen und Außerirdischen zu analysieren (um sie so vielleicht zu klären), sondern als blinder Übersetzter schürt er das Missverständnis sogar noch weiter. Im Prinzip kämpft er mit demselben Problem wie alle Software-Übersetzungssysteme bis heute: Er schafft es nicht, den Sprung vom Satz zum Text zu vollziehen, seine semantischen Fähigkeiten beschränken sich auf die Konstruktion syntaktisch sinnvoller Sätze – ob diese Sätze allerdings im Kontext einen Sinn ergeben, kann er nicht entscheiden. Die Militärs nutzen sein „Translat“ daher also in ihrem Sinne …
Und sie scheinen bestätigt zu werden: Angesichts der doch offensichtlich aggressiven Bestrebungen der Außerirdischen (gegen Ende des Films legen sie die halbe Welt in Schutt und Asche) könnte man sich fragen, ob die Ambivalenz, wie sich sie hier schildere, tatsächlich besteht, oder ob ich nicht einfach den gleichen Fehlschluss leiste, wie schon der Wissenschaftler in „Mars Attacks!“, wenn ich davon ausgehe, dass die Aliens hier im Prinzip friedliche und nur missverstandene Wesen sind. Dass ich mit meiner Annahme der Kommunikationsprobleme auf Seiten der Menschen allerdings nicht falsch liege, will ich an einem letzten Beispiel versuchen darzulegen.
Wie nicht wenige Science-Fiction-Filme der 1950er Jahre verhandelt „Earth vs. the Flying Saucers“ sein großes Thema auch noch einmal im kleinen, zwischenmenschlichen Bereich: Der Wissenschaftler wird uns zu Beginn des Films als frisch verheiratet vorgestellt. Er hat seine Sekretärin geehelicht – sein vormaliges „Sprachrohr“, die seine Korrespondenz erledigt hat, seine Diktate mitgeschrieben hat und nun all dies nur noch mit einer gewissen Ironie für ihn tut. Der Film führt die Kommunikation zwischen den beiden auf vielfältige weise vor – vor allem aber technisch vermittelt:
Die Missverständnisse (er weiß oft nicht, wann er sie als Ehefrau und wann als Sekretärin „adressieren“ soll) werden durch diese technische Vermittlung nur noch verstärkt. Die Missverständnisse gehen aber stets von der Frau aus und sind zeitweise sogar provoziert oder werden von ihr forciert: Sie hilft mit bei der Entwicklung der Sound-Kanone (siehe Bild oben) und sie testet den Außerirdischen-Helm, indem sie ein Zitat von Shakespeare übersetzen lässt:
The quality of mercy is not strained
it droppeth as the gentle rain from heaven.
Shakespeare wäre sicherlich nicht erfreut, sagt einer der anwesenden Militärs und meint die Übersetzung ins Außerirdische. Doch mit der Wahl der Zitat-Quelle weist die Frau zusätzlich auch auf die simulativen Absichten der Außerirdischen hin: Portia tritt in dieser Szene des „Kaufmanns von Venedig“ als verkleideter Winkeladvokat auf, um ein geschlossenes Abkommen zu konterkarieren. Dass Portia damit die Lebensrettung eines Christen vor einem böswilligen Juden und letztlich dessen Konvertierung zum Christentum erreicht, fügt sich in den Diskurs des Films ein, wenngleich das Zitat selbst mit der vom Himmel tropfenden Gnade eine andere Sprache spricht … aber es ist eben nicht alles Gold, was glänzt.
Die Frau erscheint in „Earth vs. the Flying Saucers“ also im Prinzip analog zu den Außerirdischen – nur noch subversiver, noch subtiler in ihrer „Störfunktion“ und damit erfolgreicher. Im Prinzip – und darin stimmt der Film mit etlichen zeitgenössischen Genre-Beiträgen überein – ist sie das eigentliche Alien, diejenige, die Konflikte an mehreren Fronten schürt, indem sie Verständigung erschwert oder verunmöglicht; dass sich die männliche Aggression auf die Außerirdischen richtet, hat also allenfalls katalytischen Charakter.