Objects in the Mirror …

Michel Foucaults Analyse der „Las Meninas“ von Velázquez, die er als erstes Kapitel in „Die Ordnung der Dinge“ veröffentlicht, ist vor allem ein Fehler immer wieder vorgeworfen worden: Dass jenes Bild an der Rückseite des Raumes, welches das (Königs)Paar darstellt, kein Spiegel sein kann, wie Foucault behauptet. Mit der Identifikation des Bildes als Spiegel steht und fällt Foucaults gesamte Analyse, weil der Spiegel es ist, der letztlich erst die Identifikation zwischen dem Bildbetrachter (außerhalb des Bildraums), dem Point of View (innerhalb des Bildraums) sowie der symbolischen Identifikation zwischen Bildbetrachter und Königspaar, erst ermöglicht.

Es könne kein Spiegel sein, weil nach den Gesetzen der Perspektivität die Reflexion darauf nicht diese (großen) Ausmaße haben kann. Wenn das Paar, das sich darin spiegelt, an der Stelle des Bildbetrachters stünde, dann müsste die Reflexion wesentlich kleiner sein und der Spiegel müsste wesentlich mehr Details des Raums dazwischen zeigen.

Nach den Bildungsgesetzen der Perspektive von Alberti über da Vinci bis Dürer, wäre diese Kritik richtig. Doch wie Erwin Panofsky in seinerm dispositivanalytischen Aufsatz „Die Perspektive als ’symbolische Form'“ (1925) bemerkt, sind die Gesetze der Perspektivität keineswegs Naturgesetze, sondern Ausdruck einer Geisteshaltung. Nach Panofskys physiologischer Theorie der Perspektive gibt es keine geraden Fluchtlinien. Das Gesichtsfeld, der runde Augenhintergrund (und man könnte ergänzen: die gebogene Raumzeit) machen Geraden und damit Fluchtlinien unmöglich (oder zumindest zu einer äußerst subjektiven Frage des Standpunktes).

Was also, wenn „Las Meninas“ gar nicht nach den Gesetzen der Perspektivität entworfen wurde? Oder viel simpler: Was, wenn der Spiegel im Raumhintergrund nicht plan, sondern konkav gewölbt* ist? –  und damit Ausdruck einer möglichen Kritik am Perspektivismus oder sogar ein Backlash zur oder Zitat der mittelalterlichen Bedeutungsperspektive** (nach der nicht die Fluchtlinie, sondern die reale oder symbolische Bedeutung des Bildgegenstandes seine Größe determiniert)?

* Foucault insinuiert solch eine Deutung bereits: „In der holländischen Malerei war es Tradition, daß die Spiegel eine reduplizierende Rolle spielten, aber in einem irrealen, modifizierten, verkürzten und gekrümmten Raum.“ (S. 35f., Hervorh. durch mich)

** „Andererseits sind die Linien, die die Tiefe des Bildes durchqueren, unvollständig; es fehlt allen ein Teil ihrer Bahn. Diese Lücke verdankt sich der Abwesenheit des Königs, die wiederum ein Kunstgriff des Malers ist.“ (S. 44f.)

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
Dieser Beitrag wurde unter Notizen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.