Puppentheater der Grausamkeit

Marquis (F 1989, Henri Xhonneux) (DVD)

Ein außergewöhnlicher Film, der da beim neuen Label „Bildstörung“ erschienen ist: Menschen mit Tiermasken spielen ein Gefangenenstück am Vorabend der französischen Revolution. Im Zentrum ein Schriftsteller, der, weil er auf ein Kruzifix geschissen hat, in der Bastille sitzt und dort seine dekadente Literatur verfasst. Er ist niemand geringeres als der Marquis de Sade – dort trifft er auf zwei seiner Musen: Justine und Juliette, die ihn zu literar-erotischen Höchstleistungen motvieren. Zudem wird er beständig von seinem sprechenden Penis angestachelt, sich dem System nicht beugen, sich dem masochistischen Gefängniswärter nicht für ein paar Annehmlichkeiten preiszugeben, sondern den Ausbruch zu wagen. Der kommt ein paar mal in greifbare Nähe und als der Sturm auf die Bastille losbricht, hält auch den Marquis nichts mehr dort.

Erstaunlich ist die Ruhe, mit der der Film inszeniert ist. Zärtlich in Sprache und Umgangsformen verhalten sich die Figuren zueinander. Wären es nicht Tiere (und der Film damit eine Fabel) und wären es nicht die literarischen Grausamkeiten des Schriftstellers Marquis de Sade, die da ins Bild gesetzt werden und wäre es nicht das Vorspiel zu einem der grausamsten historischen Ereignisse der europäischen Neuzeit, das der Film da verklausuliert erzählt: Man könnte ihn fast eine Liebeserklärung nennen; erschienen 200 Jahre nachdem sich das alles wirklich zugetragen haben soll.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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