»Shit!« (happens)

The Doll Underground (USA 2007, Ean McKai) (Moviemento Berlin)

Ein weiterer Beitrag in der Vivid.alt-Reihe mit künstlerisch ambitionierter Pornografie. „The Doll Underground“ sah dabei auch gar nicht schlecht aus: Der Film arbeitet mit Kollagen, Verfremdungen, Found Footage und mehrfachen Bild-Überlagerungen und entwirft so ein Bild von Los Angeles, das ein wenig an die Berlin-Bilder aus Walter Ruttmanns „Symphonie einer Großstadt“ erinnert. Was passiert? Zwei Mädels vom Lande wollen nach Los Angeles, wahrscheinlich um dort eine Filmkarriere zu beginnen. Sie geraten jedoch in einen obskuren Club, wo sie auf eine dritte junge Frau treffen, die Mitglied im „Doll Underground“ ist. Dabei handelt es sich um eine terroristische Aktion, die aus irgendwelchen Gründen Sprengstoffanschläge plant. Die drei Damen verlustieren sich abwechselnd miteinander, allein oder mit Männern, die entweder auch zum Underground gehören oder zum Feind, der auf diese Weise um Informationen gebracht werden soll.

Auch hier vergisst der Film nach etwa einem Drittel sein ästhetisches Projekt weitestgehend und reiht endlose Hardcore-Szenen aneinander. Die sind zwar nicht so grob wie in „Bad Luck Betties“, aber finden zeitweilig kaum ein Ende. Markant waren die Sex-Geräusche, die die Darstellerin Dixi Pearl von sich gab: Anstelle des üblichen „Ah!“, „Oh!“, „Yeah!“ oder „Fuck me!“ kam ihr in Momenten besonderer Ekstase eine unaufhörliche Reihung „Shit!“ über die Lippen. Man hatte als Kinozuschauer also wieder ausreichend Zeit und Gelegenheit sich im Saal umzuschauen. Das hat sie abermals gelohnt, denn der Regisseur und eben jene „Shit!“-Hauptdarstellerin Pixi Pearl waren anwesend. Zunächst saßen beide am Rand und es war ein sehr markantes Vergnügen, die Darstellerin dabei zu beobachten, wie sie sich selbst auf der Leinwand beobachtet. Spannend wurde es dann, als sie bemerkte, dass sie von etlichen Zuschauern beim Beobachten beobachtet wurde. Da fand ein regelrechter Abgleich zwischen dem Vorbild und dem medialen Abbild statt, der an Intensität zunahm, wenn Pixi Pearl in Hardcore-Szenen zu sehen war.

Sie entzog sich dem dann immer häufiger, indem sie den Saal für Minuten verließ und schließlich die einzige Möglichkeit, den Film zu sehen ohne selbst gesehen zu werden (und das wiederum sehen zu müssen) fand: Sie setzte sich mit dem Regisseur in die erste Reihe. Gern wäre ich geblieben, um sie zu fragen, was ihr denn so durch den Kopf gegangen ist in dieser Situation des doppelten Angeblicktwerdens. Ich fürchte aber, viel wäre da nicht gekommen – mir wurde berichtet, dass sie sich zum ersten Mal außerhalb der USA befand und ohnehin schon voller Ängste und Unsicherheit war.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
Dieser Beitrag wurde unter Festival-Tagung-Messe, Filmtagebuch, KörperBilder veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.