»Just one touch means more than words can say …«

Edward Penishands (USA 1991, Paul Norman) (DVD)

Dass sich der Frankenstein-Stoff allein durch sein Monster-Konzept der Pornografisierung geradezu aufdrängt, konnten man ja bereits an „Hung Wankenstein“ verfolgen. Tim Burtons „Edward Scissorhands“ ist eine Neuformulierung Frankensteins unter den Bedingungen des 60er-Jahre-US-Suburbs. Bei Burton klafft ein tiefer Spalt zwischen dem Gothic-Konzept, für das das Schloss auf dem Berg, der Erfinder und seine Kreatur steht, und der pastellfarbenen Normopathie im Tal. Dass dieser Konflikt paradigmatisch für die Konfrontation Mensch-Monster ist und zudem unüberwindbar, versucht der Pornospoof zu negieren.

Hier ist Edward nicht mit Scheren-, sondern mit Penishänden ausgestattet worden und zwar von seiner Erfinderin, die ihn wohl als Sexgespielen entworfen hat und von der er immer noch träumt. Er lebt allein in der Burg, als er eines Tages von einer Dildo-Verkäuferin Besuch bekommt. Die wird seiner Penishände gewahr, ärgert sich zunächst, kein Geschäft abschließen zu können, kommt dann aber (nachdem sie ihn „ausprobiert“ hat) auf die Idee, Edward mit zu sich zu nehmen und ihn zu prostituieren vermarkten. Edward, einmal bei ihr zu Hause angekommen, verliebt sich sofort in die Fotografie der Tochter des Hauses. Die ist nebenan mit einer Schulfreundin damit beschäftigt, die Dildo-Proben der Mutter zu testen. Als beide „fertig“ sind, begegnen sie Edward, was zunächst einen Schock auslöst.

Edward ist anders, aber erfreulich anders und so beginnen sich bald die Freundinnen und Kundinnen der Dildo-Verkäuferin für ihn zu interessieren. Sie mieten ihn gleich zu zweit (er ist ja dementsprechend ausgestattet) und die neue Besitzerin befürchtet schon: „I think I just lost my best two customers.“ Doch Edward hat sowieso nur die Tochter im Sinn. Mit der Fotografie vor Augen masturbiert er – indem er seine Hände aneinander reibt. Die Vorlage der Wichsvorlage kommt jedoch überraschend ins Zimmer, findet zuerst abstoßend, was sie sieht, kommt dann jedoch auf ganz andere Gedanken. Edward führt sie mit zu sich ins Schloss und dort haben sie Geschlechtsverkehr (im engeren Sinne). Selig träumt Edward, dass seine neue Freundin und seine Erfinderin ein und dieselbe Person sind und sich in einem Sperma-Regen, der sich aus seinen Händen ergießt, in Glück vereinen.

So, wie „Edward Scissorhands“ bereits die (wortwörtliche) Domestikation des Monsters vorführte und dabei nebenher das Menschliche im Monster dem Monströsen im Menschen gegenüber stellte, so verfährt auch Paul Normans Film dialektisch. Sein Monster ist eine harmlose, ausgenutzt Kreatur, die dieses Mal nicht den finanziellen, sondern den sexuellen Interessen der Menschen ausgeliefert ist. Die Angst vor seiner Andersartigkeit wird schnell zu einer Lust am Fetisch – einem Fetisch des Monströsen. Doch Edward, der seine polymorph perverse Ausstattung zwar genießen kann, will doch lieber ganz menschlich mit den Frauen verkehren, weswegen in den eher erotischen Szenen auch sein dritter, sein eigentlicher Penis zum Einsatz kommt. Erst im Gebrauch seines eigentlichen Geschlechtes wird er „ganz er selbst“ – seine Penishände gehorchten nicht ihm, sondern dem Regime der Lust: „They seem to have a mind on their own“, entschuldigt er sich, als seine Hände „suchend“ an einem Frauenkörper herumwandern.

Diese eigentlichen Sex-Szenen sind es dann auch, die ein zentrales Phantasma des Pornofilms offenlegen, dass nämlich der gesamte Körper Geschlechtsorgan sein möge. Der Monster-Porno verschiebt dies lediglich ins Sichtbare. Monströs heißt nun nicht mehr abstoßend, sondern anziehend anders. All die Sexpraktiken mit Fetisch-Objekten, riesigen Dildos, Stöpseln, Umschnall-Instrumenten, manuellen Praktiken usw., die im Pornofilm zu sehen sind, arbeiten an dieser Monsterwerdung des Körpers. In gewisser Hinsicht könnte ein Film wie „Edward Penishands“ als eine Kritik an dieser Tendenz gesehen werden, denn sein Monster versucht ja nicht anders, sondern gleich zu sein. Und das träumerische Happy End ist für ihn eine Utopie, dass es sich mit seiner Andersartigkeit und gleichzeitig mit den Normalen versöhnen kann – das zieht sich bis hin in den Soundtrack, in welchem der Song „Just One Touch“ auf vieldeutige Weise ständig herbeizitiert wird.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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