„Was für ein Tier von einem Mann!«

Das Monster und die Schönen (D 1992, Walter Molitor) (VHS)

Man lasse sich vom Titel nicht täuschen: Das hier ist eine Jeckyll&Hyde-Adaption. Den Wissenschaftler spielt Rocco Siffredi und der ist schon vor der Verwandlung förmlich zerrissen. Denn während er im Labor nach einem Elexier sucht und kurz vor dem Durchbruch steht, vereinsamt seine Frau zu Hause. Die Dienstboten vergnügen sich lieber miteinander anstatt der Dame des Hauses Gesellschaft zu leisten und so ist es der Laborassistent, der die schmerzliche Lücke auszufüllen weiß. Als Jeckyll abgearbeitet nach Hause kommt, findet er die beiden ineinander verkeilt im Wohnzimmer vor und verlässt wütend das Haus in Richtung Labor. Unterwegs begegnet er einer Prostituierten, die gerade von zwei Männern überfallen wird. Jeckyll schlägt die Bösewichte in die Flucht und kümmert sich – ganz Arzt – um das aufgeschlagene Knie der Frau. Die bietet ihm ihren Rumpf als Bezahlung an, doch Jeckyll lehnt ab. Als sie fort ist, trinkt er einen großen Schluck aus dem Erlenmeyerkolben des Unheils und verwandelt sich in Mr. Hyde.

Derart in biochemische Rage versetzt, beobachtet er durchs Laborfenster die Prostituierte, wie sie auf der Straße gerade einen Freier bedient, stürzt hinaus, verjagt dem Mann und nimmt sich nun selbst, was er Minuten vorher noch abgelehnt hat. Am nächsten Tag entlässt er erst einmal seinen Laborassistenten und plant einen Besuch in seinem Club, um von seiner Entdeckung zu erzählen. Dort findet er eine illustre Tanzgesellschaft vor (im Monster-Pornos wird auffällig viel getanzt!) und verabredet sich mit einer Bedienung: Er will wissen, ob er es auch als Wissenschaftler schafft. Er schafft es nicht, legt sich aufs Sofa und verwandelt sich – dieses Mal ohne Einnahme des Elexiers – in den tierischen Hyde. Der allerdings kann die Bardame dann bedienen.

Hernach bereut er sein Tun und will dem Treiben abschwören, doch die Verwandlungen haben sich lägst verselbstständigt. Er bangt, dass die Bardame im Club plaudert, geht hin, verwandelt sich und wird wie ein Tier verjagt. Er geht – zurückverwandelt – zu seiner Frau, bittet für seine ständige Abwesenheit um Entschuldigung und hat kuscheligen Versöhnungssex mit ihr. Danach treibt es ihn auf die Straße, wo er sich abermals verwandelt. Er streift durch das nächtliche London und stürzt sich auf den allernächsten Rock, der ihm vor die Flinte kommt. Das das ist seine Frau, die nicht nur ebenfalls auf der Straße herumläuft, sondern auch noch bewaffnet ist. Sie knallt ihn ab und erkennt – bei der Rückverwandlung Hydes in Jeckyll – auf wen sie da geschossen hat. Weinen. Ende.

„Das Monster und die Schönen“ ist überaus bemüht, die Stimmung und das Kolorit von Stevensons Vorlage – oder wahrscheinlicher Mamoulians Film – aufzugreifen. Um die Ausstattung und Kostüme hat man sich redlich bemüht, die Dialoge klingen alle wie man sich als Pornozuschauer den Jargon des 19. Jahrhunderts vorstellt (so oft wurde wahrscheinlich noch in keinem Porno die Phrase: „Ich begehre Sie!“ benutzt!) Und selbst für die Club-Szene hat man keine Kosten gescheut, ein paar professionelle Tänzerinnen zu engagieren, die einen wohlgeformten Cancan aufs Parkett legen. Die Monster-Szenen sind durch ihre witzige Maske teilweise unfreiwillig komisch, aber die Verwandlungsszenen (vor allem die o.g. auf dem Sofa) schon fast wieder eine Hommage an den Original-Film: Mit Überblendungen verwandelt sich der haarlose Schönling Jeckyll in den behaarten Knollennasenmann Hyde. Wundervoll!

Aber „Das Monster und die Schöne“ ist aber auch ein Pornofilm und als solcher ein Monsterfilm. Das Monströse dringt – wie in den vorherigen Beiträgen schon beobachtet – nicht bloß durch das Äußerliche der Darsteller, sondern auch durch ihr Tun ans Projektorlicht. So ist auffällig, dass mit Jeckyll genau zwei Dinge passieren, wenn er Hyde wird: 1. Seine Zunge wird sichtbar, Speichel läuft ihm aus dem Mund. Eine Art tierische Begehren, aber auch eine Andeutung auf das Verschlingen im sexuellen Akt drückt sich dadurch aus.

2. Die Schranken der sexuellen Zivilisation fallen, was dadurch deutlich wird, dass Hyde den Vaginalverkehr nur noch als Vorspiel nutzt und baldestmöglich zum Analverkehr übergeht. Diese Sexpraktik wird von keinem anderen Darsteller im Film durchgeführt, sie bleibt allein Rocco Siffredi und seinem Mr. Hyde überlassen. Besonders markant ist dieser Umbruch als Jeckyll den Versöhnungssex mit seiner Frau hat, da bleibt er ganz Gentleman und in der richtigen Körperöffnung. Als er die Bardame in sein Labor lockt und dort als Jeckyll versagt (auch, weil er keine Bezeichnung für die Sexpraktik findet, die er sie gern an sich vornehmen lassen würde: „Benutzen Sie die alte Methode, mit der Hand … und auch mit dem Mund.“), weiß Mr. Hyde kurz darauf, was zu tun ist und beschläft die Dame von hinten: „Irgendein Glied in der lange Kette der Experimente muss außer Kontrolle geraten sein“, konstatiert der Zurückverwandelte nach dem Akt.

Das Monströse findet seinen Weg also nicht nur auf der Bildebene, sondern auch in der Sexualität selbst. Die Dialektik zwischen Mensch und Monster wird auf den Geschlechtsverkehr übertragen. Das Monster vögelt, der Mensch kopuliert. In „Edward Penishands“ wird sich zeigen, dass dieser Prozess auch von der anderen Seite aus gesehen werden kann.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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