Altersmilde?

Die amerikanische Nacht (La Nuit Americaine, Frankreich 1973, Fraçois Truffaut) (DVD)

Die Frage, was für eine Regisseur-Figur Truffaut da eigentlich in seinem Film inszeniert und spielt, lässt sich vielleicht beantworten, wenn man dem Film Truffauts frühen, einflussreichen Text „Über einige Tendenzen im französischen Kino“ von 1954 gegenüberstellt. Dort kritisiert er „Scenaristen“, die genau das mit der Kunstgattung Film machen, was der diegetische Regisseur Ferrand macht: eine simpel konstruierte, vermeintlich psychologisch-realistische Story unter extremen Kompromissen inszenieren, immer mit dem Blick auf die Publikumswirksamkeit (also an Trends ausgerichtet). Aber warum zeichnet Truffaut in seinem Film-im-Film eine solche Regisseurs-Figur, die er dann auch noch selbst spielt? Ist er in den 20 Jahren zwischen Text und Film vielleicht milder geworden mit seiner Kritik dem Qualitätskino gegenüber?

Die Trennung zwischen diegetischem Regisseur Ferrand und Regisseur Truffaut ist nicht so leicht zu vollziehen, versieht Truffaut seine Regisseur-Figur doch mit biografischen und filmografischen Details, die seinem eigenen Leben und Werk entstammen. Ferrand ist eine Hybrid-Figur zwischen Truffaut und jenen kritisierten Regisseuren, eine Figur der Selbstreflexion, der Selbstkritik und des Selbstentwurfs. So, wie der Protagonist und sein Schöpfer ineinander fließen, fließt auch „Die amerikanische Nacht“ mit „Meine Ehefrau Pamela“ zusammen – deutlich zu sehen an den sich stetig aneinander annähernden Erzählungen (am Ende sieht „Die amerikanische Nacht“ wie eben jenes seichte Melodram aus, das in ihm gefilmt wird) und Ästhetiken (zu sehen in den vier Takes des Gespräches zwischen Valentina Cortese und Jean-Pierre Amont).

Ein Film, von dem man vieles lernen kann – über Truffaut, das Kino und die französische Autorentheorie.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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