Whiteness

The Mist (USA 2007, Frank Darabont) (PV Ufa Düsseldorf)

Schon Darabonts erste King-Adaption „The Woman in the Room“ hat gezeigt, welches großartige filmerische Talent in ihm steckt. Er „sieht“, das Filmische in der Literatur und schält es – anders und besser als sein Kollege Mick Garris – aus den King-Stoffen heraus, ohne sich ihnen allzu platt anzudienen (oder deren Plattheiten zu übernehmen). „The Mist“ basiert auf der gleichnamigen Novelle Kings, einer etwa 170 Seiten umfassenden Erzählung aus der „Skeletton Crew“, die im selben Jahr wie Carpenters „The Fog“ erschienen ist. Anders als King beginnt Darabont gleich mit einem Verweis auf Carpenter, wie um sich gegen den Vorwurf der naiven Übernahme zu schützen. Sein Film nimmt dann allerdings einen ganz anderen Verlauf als „The Fog“, der sich bereits in der „lyrischeren“ Titel-Differenz andeutet. „The Mist“ ist von Beginn an allegorisch, seine Protagonisten bilden im Kleinen das Große ab, ihre kleinen Konflikte sind Sublimate der großen Krisen. Darabont destilliert eine beängstigende, beunruhigende Aktualität aus dem King-Stoff, entwirft eine luzide Abhandlung über die Konflikte der westlichen Kulturen der Gegenwart. Gerade im geänderten Schluss der Erzählung zeigt sich die Aktualität dieses Narrativs.

Darüber hinaus ist „The Mist“ filmischer als viele andere King-Adaptionen. Gelang es Darabont schon bei „The Woman in the Room“ die Schuld am Tod und den Horror des Untotseins auf eine metaphysische Ebene (Sterbehilfe als Dienst am geliebten Menschen) zu hieven, indem er den beängstigenden Bildern einen unfassbar langsamen Schnitt-Rythmus und einen esoterisch-sanften Flöten-Soundtrack angedeihen lassen hat, so leistet er dies bei „The Mist“ in der Darstellung des Nebels noch einmal. Es ist eine weiße Wand, auf die die Gefangenen im Supermarkt all ihre Ängste projizieren, ein Weiß, das alle möglichen Schrecken „in Latenz“ enthält, wie ein unentwickeltes Foto – oder wie eine unbelichtete Kinoleinwand. Der Versuch diese Latenz zu durchdringen endet notwendigerweise im Filmraum, in dem alle möglichen und unmöglichen Wesen warten. „The Mist“ geht sehr klug mit dieser Doppeldeutigkeit um, weil er sie niemals ins Offensichtliche überträgt. Anstelle dessen lässt Darabont seinen Film in den Momenten, in denen sich die Menschen in den Nebel hinein wagen, besonder filmisch werden, zeigt Slow-Mo, spielt mit der Montage, überlegt alles mit einem unfassbar passgenauen Soundtrack (Mark Isham hat dazu Dead can Dance’s „The Host of the Seraphim“ in seinen Score implementiert).

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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