FFF 2007: Fünfter Tag

Storm Warning
Bug
Jushua
Unrest

Der Podcast wurde dieses Mal – nicht wie geplant zu „Bug“ – zu „Storm Warning“ abgehalten:

Storm Warning (Australien 2007, Jamie Blanks)

Für mich einer der Höhepunkte des Festivals. Eine Backwoodhorror-Variante, die – so meine Interpretation – Opferfiguren vorführt, die die Regeln des Genres kennen und sich dementsprechend ihren Peinigern gegenüber verhalten. (Ich führe das im Podcast noch weiter aus.) Interessant wird hier, dass das moralische Bilanzdenken dennoch funktioniert und die Rache der Opfer an den Hinterwäldlern – eine Rache, die eigentlich keine mehr ist – Befriedigung beim Betrachter auslöst, was ich zuvorderst der Bild- und Tonästhetik des Films zuschreibe, weil sich diese nämlich an den Konventionen der Affektübertragung orientiert. Hochinteressant auch die Variation von Gender-Klischees und die intelligente Bearbeitung des Genre-Grundkonfliktes: Die feine Gesellschaft trifft auf ihr Abjekt und müsste eigentlich (wie bislang im Gerne) selbst zu diesem werden, um es zu besiegen – hier gelingt es allerdings mit den Methoden der feinen Gesellschaft, die natürlich immer noch eine Spur grausamer weil kalkulierter sind.

Bug (USA 2006, William Friedkin)

Eine ganz große Enttäuschung, die sich nach der Hälfte des Films offenbart. Friedkin gibt dann nämlich jede nachvollziehbare Charakterentwicklung auf (was vor allem bei der Figur Agnes‘ besonders schade ist), wirft alle tollen Bildästhetiken über Bord (keine Kameraflüge mehr, kein ausgeklügeltes Spiel mit den Tiefenschärfen, keine Schnitt-Orgien und Gesicht-Großeinstellungen) und widmet sich stattdessen der platten, voyeuristischen Abbildung einer psychischen Erkrankung, die meines Erachtens auch noch völlig ins Sensationalistische und Spekulative überzogen ist. Weder ist klar, worin das Besondere „Interesse“ des Films (jenseits der Schaulustbefriedigung „Guck mal, so benimmt sich ein schizophrener Paranoiker!“) liegt, noch warum Friedkin, der es eigentlich besser kann, auf jede Subtilität verzichtet. Dass der Film im Programm des FFF ist, spricht diesbezüglich Bände: Hier ist ja der Ort, um Freaks und Monster auszustellen, die gegenüber sich selbst (der männliche Hauptdarsteller reißt sich im Close-up die Zähne heraus) und anderen blutrünstig (er zerhackt seine Psychologen und zündet dann sich und seine „infizierte“ Mit-Schizophrene an) verhalten. Armselig!

Joshua (USA 2007, George Ratliff)

Das böse Kind im Film – seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner im Genre. Hier bleibt jedoch unklar, ob der kleine Joshua wirklich böse ist, oder seine Elter lediglich das Bild des bösen Kindes von ihm konstruieren. Das Ergebnis ist dasselbe: Die Familienstruktur löst sich auf, Menschen sterben, landen in der Psychiatrie oder im Gefängnis. Die Vorlagen, bei denen Ratliff sich bedient, sind vor allem „The Hand that Rocks the Cradle“, „The Omen“ und „Rosemary’s Baby“. Leider bliebt für mich fragwürdig, welche Absicht der Film verfolgt – unklar sollte bleiben, welch Geistes Kind der Junge Joshua ist wie klar werden sollte, dass seine Eltern Hysteriker und „child abuser“ sind. Dadurch aber, dass es am Ende so aussieht, als sei dies alles von langer Hand vom hochbegabten Sohnemann (ja, auch dieses Klischee wird bedient!) geplant gewesen, wird die Moral zweideutig. Sie kann nun genauso gut als Entschuldigung für das teilweise unmenschliche Verhalten der Eltern gegenüber ihrem Kind herhalten, welches eigentlich nur eine besondere (und bekannte!) Form von Eifersucht gegenüber seinem neu geborenen Schwesterchen an den Tag legt. Zugute halten muss man dem Film, dass er überaus tricky mit seiner Bildsprache umgeht – zwar ist auch hier einiges aus „The Omen“ geliehen, jedoch geschickt variiert.

Unrest (USA 2006, Jason Todd Ipson)

„Anatomie“ für Amerikaner, könnte man zunächst meinen. Ein Pathologie-Kurs wird mit den Geistern der Präparate konfrontiert, was dann natürlich schon vom billigen deutschen Franka-Potente-Naziverschwörung-Grusler abweicht. Die Billigkeit wird aber auf einer anderen Ebene wieder eingeholt, indem die Protagonistin eine post-aztekische Verschwörung ausmacht und das halbe Krankenhaus beim Versuch Belege für ihre Annahmen zu finden zu Bruch geht. Wiedereinmal müssen enge Räume und lange Flure als Aufenthaltsort für die Charaktere und das geringe Budget herhalten. Annehmbar ist jedoch die stets offen geführte Leib-Seele-Problem-Diskussion, wie sie sich Pathologen zumindest im Ansatz bei der Konfrontation mit „dem Material“ stellen müsste. Zwar findet sich auch hier keine annehmbare Conclusio, doch wird das Problem zumindest als Dilemma erkannt und weder durch die kalte naturwissenschaftliche Logik kaputt-rationalisiert noch vollständig ins Reich der Geister entlassen. „Unrest“ ist also nicht nur schlecht.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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