Jetzt erst gesehen

Déjà-vu (USA 2006, Tony Scott) (Blu-Ray)

Die bereits vor ein paar Wochen angeschaffte Blu-Ray-Disc musste bisher immer nur zu Teaser-Zwecken herhalten und wurde nach der ersten Explosionsszene stets abgebrochen. Jetzt habe ich mir den Film noch einmal ganz & genau angesehen und bin nach wie vor davon beeindruckt.

Ich würde sogar soweit gehen zu behaupten, „Déjà-vu“ streite sich zusammen mit Markers „La Jeteé“ um den Titel des besten Zeitreisefilms überhaupt. Denn beide haben gemeinsam, dass sie das Thema der Zeitreiseparadoxität und des Blicks in die Vergangenheit nicht bloß faszinierend darstellen, sondern es eng an ihre dispositive Verfasstheit koppeln. In „Déjà-vu“ wird diese Idee sogar so weit ausformuliert, dass die Frage des „Rückblicks“ zum ontologischen Zentralphänomen des Films wird. Wie Protagonist Doug Carlin da in dem Filmstudio sitzt und den Zeit-Stream beobachtet, kommt er einem so vor wie die oft beschriebenen Zuschauer der ersten Kinematographie-Vorführungen. Sein staunen darüber, dass das, was er sieht, alles „wirklich passiert war“ aber raumzeitlich so nah wirkt, als wäre er dabei und könnte daran teilhaben, wird zur Leitidee dieses Science-Fiction-Films ausgeweitet.

Es geht in „Déjà-vu“ jedoch nicht nur um die teilnehmende Filmrezeption, sondern auch um die Fragen der Produktion: Wo und wie fängt man die „richtigen“ Bilder ein, die hinterher einen Zusammenhang ergeben, der sich hermeneutisch entschlüsseln lässt? Es ist kein Zufall, dass man Carlin zum Finden dieser Bilder hinzuzieht, denn er hat – als Detektiv – genau das richtige Gespür für diese Details, die später ein Ganzes ergeben, das mehr als nur die Summe seiner Teile ist (eben: ein Film). Darüber hinaus verbindet er den Kriminalplot des so entstehenden Films auch noch mit einer Erotik- und Liebesgeschichte, in der er dann das fundamentale Phantasma des Kinozuschauers wahr macht und selbst zum Subjekt der Liebe wird, deren Objekt auf der Leinwand so unerreichbar fern schien.

Meine Lieblingsszene in „Déjà-vu“ ist jedoch die Verfolgungsjagd (man könnte auch sagen: die Kamerafahrt), bei der Doug in der diegetischen Gegenwart dem Bild seines Widersachers aus der diegetischen Vergangenheit über vielbefahrene Straßen hinterherblickt. Seine Verwirrung über das, was er aktuell sieht und was sich ihm im „Rückblick“ offenbart, ist genau dieselbe wie diese seltsame Verwirrung des Filmzuschauers, der aus dem Kino kommt und die just „erlebte“ Fiktion wieder in sein Denken der Alltagsrealtiät integrieren muss. Bei Doung geschieht dies jedoch nicht zeitversetzt, sondern instantan und bei Tempo 180.

Es scheint mir lohnend, den Film (wie auch Scotts Vorgängerfilme „Man on Fire“ und „Domino“) einmal detailliert auf ihre „Kinematografizität“ abzuklopfen. Über die Homologie zwischen Form und Inhalt könnte sich nicht nur die Faszination an seinem Werk erhellen lassen, sondern auch einiges über die Art, wie wir Filme sehen und was Filme für uns sind, in Erfahrung bringen lassen. „Déjà-vu“ ist für mich da das Sahnehäubchen, weil es in ihm letztlich um nichts anderes geht als darum, jemanden zu zeigen, wie er Filme guckt und was diese mit ihm und seinem Leben anstellen.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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