Harold und Maude (USA 1971, Hal Ashby) (DVD)
Gestern Abend hat Miriam mir einen ihrer Lieblingsfilme gezeigt.
Und ich bin hin und her gerissen: Sicherlich ist das ein bewegender,
ungewöhnlicher kleiner Film. Aber er ist in all seiner Tabulosigkeit so
gezwungen und konservativ. Fast möchte man meinen, die ganze Erzählung
hätte von Beginn an nur den Zweck, aus Harold einen lebensfrohen Hippie
zu machen – nachdem er die vergangenen Jahre dazu nicht genutzt hat.
Dass diesem Ziel sogar die Liebe und das Leben Mauds geopfert wird,
fand ich sehr bedauerlich. Wenn schon die Konventionen sprengen, dann
richtig: Entweder Hochzeit oder Suizid. Aber der Film entscheidet sich
für die Konventionen.
Der Stimmung des Films läuft meines Erachtens der aufdringliche Cat-Stevens-Soundtrack extrem zuwider.
Filme, wo die Frau nur dazu da ist, dem (männlichen) Helden den richtigen Lebensweg zu weisen, sind eigentlich nicht selten. Hier ist es aber zumidenst dadurch „entschuldigt“, dass Maud nun wirklich schon alt ist und ihre „Lebensweisheit“ an die „(über)nächste Generation“ eventuell weitergeben möchte. 🙂 Ausserdem ist der Film offensichtlich eher an das jüngere Publikum gerichtet, so ist es irgendwie konsequent, dass Harald zur zentralen Projektionsfigur wird.
Bei der Sache mit der funktionalisierten Frau hast du natürlich Recht. Das bemängele ich auch seit eh und je. Nur, wenn sich ein Film – Wie H&M schon anschickt, die Konventionen zu sprengen, sollte er doch nicht vor den eigenen Konsequenzen zurück schrecken. Ich kann dem Film ja nicht vorwerfern, dass er ist, wie er ist; es macht mich nur traurig, dass „Rebellion“ schon 1971 nur in streng bewachtem Moral-Korsett stattfinden durfte.
>offensichtlich eher an das jüngere Publikum gerichtet
Umso schlimmer, nicht? H&M kommt mir – gerade wegen der Schlusssequenz – wie die Domestikation der Hippie-Bewegung vor.
Die Frage ist, ob die Verfilmung bzw. Ästhetisierung des Stoffes nicht schon per definitionem eine gewisse Domestikation bedeutet?
Die „Verfilmung“ – weiß ich nicht. Ich kenne die Vorlage (Roman?) nicht. Bei der Ästhetisierung – bestimmt, weil der Stoff ja in ein ästhetisches Korsett mit Konentionen gepresset werden muss.
Aber nicht notwendig muss ein Film noch „domestizierter“ als seine Vorlage sein. Schau dir „Shining“ an. Ich könnte mir gut vorstellen, dass King am meisten geärgert hat, wieviel Potenzial Kubrik in seinem Stoff entdeckt hat, dass ihm bei der Konstruktion seiner konventionellen Hororstory völlig verborgen geblieben ist.
Vielleicht habe ich mich nur missverständlich ausgedrückt. Unter „Verfilmung“ meinte ich einfach die künstlerische Umsetzung eines jeden Stoffes (nicht unbedingt einer literarischen Vorlage). In diesem Sinne wäre ein Roman natürlich auch schon eine Ästhetisierung bzw. Domestikation, da er die „authentischen“ Verhältnisse für seine Zwecke adaptiert. Im Zusammenhang mit „H&M“ wäre die Frage, ob es Überhaupt eine „authentische“ Hippie-Bewegung jenseits der ästhetischen Inszenierung jemals gegeben hat?
Aber wenn wir schon bei Literaturverfilmungen sind, glaube ich dir sehr gerne, dass sie der Vorlage durchaus gerecht werden können oder sogar noch mehr bieten. „Shining“ habe ich zwar nicht gelesen (kann also nicht vergleichen), kenne aber auch ein paar andere Beispiele. So ist z. B. „Jane Eyre“ von Orson Welles weitaus besser und ergreifender als der Roman selbst. Die Liste könnte man natürlich fortsetzen…