The Fly

Die Fliege  (Kanada 1986, David Cronenberg)

Ein sehr instruktiver Vortrag von Arno Meteling, der die Phänomene „Übersetzen“ und „Interpretieren“, die im Film auf „lebende Materie“ angewandt werden, auf den Diskurs über
den Film überträgt und fragt: Wie fähig ist die wissenschaftliche Methode
„Psychoanalyse“, ohne vorherige Modifikation ein Kunstwerk wie einen Film
zu „interpretieren“, ohne dass dabei „etwas“ verloren geht?

Ich habe mir während der Vorstellung ein paar Gedanken über das Konzept des Simulationsraums gemacht:

In „The Fly“ gibt es diesen Simulationsraum
ganz konkret und nach der eigentlichen naturwissenschaftlichen
Bedeutung: Der Computer schaltet sich wie ein „virtueller Raum“
zwischen die Telepods. Materie wird im ersten Raum aufgelöst,
durchläuft dann die Simulationsphase, in der ihre Stofflichkeit (also
das Signifikat) in „reine neutrale Informationseinheiten“ (also den
Signifikant bzw. das Simulacrum) aufgelöst werden. Im Raum 2 werden
diese Simulacren wieder in Realität übersetzt.

Doch diese neue
Realität unterscheidet sich von der alten. Sie sieht ihr zwar ähnlich,
doch fehlt ihr etwas ganz Wesentliches, das Cronenberg mit „Poesie des
Fleisches“ benennt. In das strukturalistische Modell übertragen wäre
diese „Poesie“ der zwar arbiträre aber dennoch konventionalisierte
Bedeutungszusammenhang zwischen Signifikat und Signifikant – das „Blatt
Papier“, von dem de Saussure spricht (auf dessen einer Seite das
Zeichen und auf der anderen dessen Bedeutung steht). Die Übersetzung
mit „Konventionsneutralisation“ muss scheitern. Wie Meteling sagt:
Übersetzung ist nicht möglich. Und Schuld daran ist die Beschaffenheit
des virtuellen Raums, der aus Fakten Daten macht. Alles, was ihn
durchläuft, wird zum „müden Abklatsch“ seiner selbst. Erst als Brundle
der Maschine die „Poesie“ beibringt, ist er in der Lage, „Fakten zu
schaffen“.

Interessanter ist meines Erachtens aber der
Teleportationsprozess, bevor Brundle die „Poesie des Fleisches“ darin
hinein programmiert. Denn in dieser „falschen Vorform“ zeigt sich ja
die eigentliche Leistung von Computern (wie sie auch jetzt schon
existieren): Das „umkrempeln“ des Pavians ist nicht etwa dessen
„Interpretation“, sondern vielmehr dessen „Analyse“ (gr. analysis =
Auflösung). Der Computer zeigt Brundle „was die Welt im Innersten
zusammenhält.“ Er funkioniert perfekt – denn „analysieren und
simulieren“ und nicht „interpretieren und synthetisieren“ ist seine
Aufgabe.

Science Fiction wird „The Fly“ erst, als das
metaphysische Moment „Poesie des Fleisches“ eingeführt (und in den
Computer einprogrammiert) wird. Ab da wird der Computer „unheimlich
menschlich“. Kein Wunder, dass Brundles wissenschaftliche Überlegungen
von Cronenberg genau in diesem Moment nicht mehr wissenschaftlich
ausformuliert werden. Beim Sex hat Brundle den Aha-Effekt, steht auf
spricht ab dann nur noch in Metaphern. Diese Metaphorik Brundles ist –
das hat Riepe mit Lacans Metaphern-Verständnis ja sehr schön
klargemacht – auch die „wörtlich genommene Metaphorik“ Cronenbergs.

Ich
setze noch eines drauf und behaupte: Metaphorik wird nicht nur wörtlich
genommen, sondern sogar „etymologisch-wörtlich“: Metapher in seiner
urprünglichen Bedeutung („metaphorein“ = etwas „hinübertragen“) ist
sogar das eigentliche Thema des Films. Und filmischer Gegenstand ist
nicht etwas das Objekt (also „was“ hinübergetragen wird), sondern der
Raum (also „über was“ etwas hinüber getragen wird). Und diesen Raum,
behauptet „The Fly“, gibt es nur „in“ den Medien. Cronenberg zeigt dies
einerseits dadurch, dass er ständig Medien „dazwischen“ schaltet:
Nichts passiert, ohne dass die Videokamera oder ein Diktiergerät
mitläuft – oder eben der Computer seine Arbeit aufnimmt. Andererseits
macht „The Fly“ sehr deutlich klar, dass dieser ®Übertragungsprozess
eine unsichtbare Simulation ist und bleiben muss: Kohäsion gibt es nur
im Film … zwar „schwenkt“ Veronica mit ihrer Handkamera zwischen den
beiden Pods hin und her, um so den „Zaubertrick“ der ®Übertragung
kohäsiv abzubilden; „The Fly“ macht dies jedoch nicht: Es gibt zu
keiner Zeit im Film einen Schwenk zwischen den beiden Pods. Stets: Pod
1 – SCHNITT (- Computer – SCHNITT) – Pod 2. Ein „Dazwischen“ ist und
bleibt virtuell. Der Raum der Simulation ist hier nicht abbildbar.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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