Erzähltransplantation

Awake (USA 2007, Joby Harold) (Blu-ray)

Zunächst einmal davon abgesehen, dass „Awake“ wirklich ein unglaublich glattes, (im schlimmsten Sinne) kalkuliertes Filmchen ist, hat er doch einen Aspekt, den ich beachtlich finde. Sein Gegenstand ist ja alles andere als filmisch: Die zentrale Figur liegt in der meisten Filmzeit reglos auf dem Rücken und ist zu keiner Aktion und Reaktion fähig. Das Einzige, was die Kamera uns also zeigen könnte, ist diese Ruhe und diejenigen, die sich um sie herum gruppieren.

Interessanterweise ist diese Figur jedoch auch der Fokalisator der Erzählung. Aus seiner Perspektive wird die Geschichte dargeboten – und da tauchen Probleme auf, die nicht mehr allein narrativer Art sind: Wie erzählt denn jemand, der physisch gar nicht dazu in der Lage ist? Das Krankenhaus, in dem er sich befindet, ist ja nachgerade ein Topos für das (kurz- oder langfristige) „Verschwinden des Erzählers“. Ein schönes Beispiel hierfür ist Stephen Kings Roman „Christine“; dort verschwindet der Ich-Erzähler am Ende des ersten Teils im Krankenhaus und konfrontiert den Leser mit einem Perspektiv-Verlust, den King nur so zu beheben wusste, dass er von der Ich- in die Auktorial-Perspektive wechselt.

„Awake“ nun geht einen anderen, überaus filmischen Weg: Er verwandelt den realen Handlungsraum in ein Hybrid aus realem Handlungs- und imaginiertem, funkti0nalisiertem „Erzählraum“. In letzterem kann sich der narkotisierte Patient wie in seiner Erinnerungswelt bewegen (erinnern wir uns an „Johnny got his gun“!), agieren und die Geschichte (eine Verschwörung) durch Reflexion des bereits Gesehenen und aktuell Gehörten (er liegt in einer Art Wachkoma) rekonstruieren. Der Film wechselt hier auch  die Erzählperspektive, jedoch nicht so radikal wie King in „Christine“. Vielmehr wird die vormalige externe Fokalisierung zu einer gemischten internen und Nullfokalisierung. Wir wissen stets, dass das, was die Kamera uns zeigt, ein Gemisch aus imaginierten und realen Bildern ist.

„Awake“ wandelt sich auf diese Weise von einer bloß irgendwie unangenehmen Geschichte (ein auf dem OP-Tisch liegender Patient, bei dem die Narkose nicht wirkt) in einen Suspese-Thriller (der Patient entdeckt eine Verschwörung gegen sich und seinen narkotisierten Körper). Als solcher fährt er dann allerdings seine etwas dünne und in ihren Entwicklungen viel zu kalkulierte Erzählung gegen die Wand.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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