Brett Camper: Fake Bit: Imitation and Limitation

Ich redigiere gerade meine Dissertation und stelle dabei fest, dass ich zu einem Beitrag zwei unterschiedliche Forschungsberichte geschrieben habe. Da ich nur einen davon im Buch benötige, kommt der andere halt hier ins Blog:

Einer besonders produktiven Retrocomputing-Szene wendet sich Camper [2009] zu: In seinem Beitrag „Fake Bit: Imitation and Limitation“ diskutiert er das 2005 entstandene Computerspiel „La-Mulana“, das sich in weiten Teilen den Ästhetiken und Restriktionen der MSX-1-Computer-Plattformen verpflichtet. Camper analysiert die Möglichkeiten der MSX-Computer (insbesondere Grafikauflösung, Farben, Sprites und Grafikscrolling) und stellt fest, dass sich „La-Mualana“ diesen Vorgaben weitgehend fügt, jedoch in bestimmten Aspekten Ausnahmen macht, die die Fähigkeit des „Host-Systems“ (einer Windows-32-Bit-Plattform, hier: Farben, RAM-Größe, I/O) nutzen. Ebenso markiert er, dass sich das Gameplay des Spiels zum Teil aus historischen Vorlagen (insbesondere der Schwierigkeitsgrad), zum Teil modernen Spielen (Konstruktion eines Flow-Erlebnisses, komplexere Spielstruktur) speist. Camper wertet diesen Technik- und Stil-Mix als „Critique“ [ebd.:o.S.], deren theoretischen Hintergrund er vor Bolter/Gruisins [2009] Re-Mediation-Theorie diskutiert: Implementierung von historischen Ästhetiken verfolgt den Zweck nicht-diskursive Geschichtskritik sowohl an rein nostalgischen Zugängen zur Technikgeschichte als auch an kontemporären Technik-Entwicklungen zu leisten. Camper betont, dass hierzu nicht nur die Oberflächen analysiert werden können: „a true assessment can require considerable computational (and even physical) investigantion“ [ebd.:o.S.] Diese Form der Geschichtskritik münde in einen Retro-Begriff, der eine Form experimenteller und spekulativer Zeitreise [vgl. ebd.:o.S.] vollziehe: Was wäre, wenn die technischen und ästhetischen Paradigmen einer vergangenen Technik-Epoche weiterhin gegolten hätten? Dieser „Non-Diskurs“ ist in der Folge produktiv aufgegriffen worden: Sowohl sind Versionen des Spiels entwickelt worden, die den ästhetischen Möglichkeiten zeitgenössischer Computer eher folgen (Vgl. „La-Mualna“ 2007, Wii-Ware), als auch ist eine Adaption von „La-Mulana“ für MSX-1-Computer in Entstehung.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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