»punching out his own dream girl«

How to make a Doll (USA 1968, Herschell Gordon Lewis) (VHS)

Junggesellen und ihre Maschine

"I don‘t have the proper equations for the higher forms."

Aus dem Mad Scientist der „Goldfoot“-Filme wird zwei Jahre später in Herschell Gordon Lewis‘ „How to make a Doll“ ein Sad Scientist – ein junger Professor, der, während die sexuelle Revolution um ihn herum und sogar in seinen Seminaren ausbricht, allein mit seiner Wissenschaft bleibt. Dr. Percy Corly muss der Inbegriff des Late-60s-Nerds gewesen sein: Er lebt noch bei seiner Mutter, fährt eine BMW Isetta und hatte noch nie eine Freundin, geschweige denn Sex: „In matters of love, Dr. Crawley is still in Kindergarten“, verrät der Off-Kommentator. Aus dieser Misere verspricht ihm sein väterlicher allerdings ebenso junggeselliger Kollege Dr. Hamilcar West zu helfen. Dieser arbeitet nämlich schon seit Jahren an folgendem Projekt:

„Most computers are programmed to make possible man‘s conquest of the space. Dr. Hamilcar West has put ten years in the creation of a super computer with just one aim: to make possible on a scientific basis man‘s conquest of women.“

punch out & stick in

Wie in den voran gegangenen Filmen ist das „Space Age“ ist auch das eigentliche Ziel des „Learning Resource Centers“, an dem beide Informatiker beschäftigt sind: „From here comes the key to space travels.“ Jedoch treibt sie auch jenes geheime Projekt um: „to study the higher forms of love.“ Hierfür haben sie einen „super computer“ gebaut, der aus vorher gestanzten Punchcards Lebenwesen erschaffen kann. Auf den Karten muss lediglich die Vorstellung des „dream girls“ codiert und diese Karten dann in den Eingabeschacht des Computers geworfen werden. Nach einiger Zeit, ein wenig Drücken von Knöpfen und drehen an Reglern (und auch elektrische Funken spielen eine Rolle) beginnt der Computer wirr zu brabbeln, zu stöhnen, zu lachen, spielt die Overtüre der „Light Cavalry“ und heraus aus einer Art „Gebärmutter-Kammer“ betritt nach Knall und Pulverdampf das neue Leben das Labor.

Fehlversuche (oder imaginäre Wunscherfüllungen) #1 & #2

Die ersten beiden Versuche schlagen markanterweise fehl: Zunächst generiert der Computer auf Basis der codierten Wunschvorstellungen Corlys ein kleines weißes Häschen – und tatsächlich: solch eines hatte er sich bereits als Kind vergeblich gewünscht. Dann generiert der er nach Eingaben von West einen hässlichen Mann im Bikini mit imitierten Brüsten. Beim dritten Versuch entsteht schließlich das „dream girl“, mit dem Corly sogleich heavy petting zu treiben beginnt. Da Dr. West nun selbst auf den Geschmack gekommen ist, generiert er sich ebenfalls ein Mädchen; bei der nachfolgenden Mènage à Quatre erleidet West allerdings einen Herzinfarkt. Offensichtlich schon auf dies vorbereitet hat er seinen Computer so modifiziert, dass er sich zusammen mit den generierten Mädchen hinein-digitalisieren lassen kann um fortan ein ewiges Leben in den Speicherbänken zu fristen.

Dr. West und die Dream Girls gehen ein ins Computergedächtnis

Nun ist es an Corly, seinem Kollegen West sexuelle Dienstleistungen zu erfüllen: Mittels einer Art „Hirn-Schnittstelle“ kann sich West im Computer mit Erinnerungen Corlys füttern lassen. Dieser wird nun auf die Pirsch geschickt, um sexuelle Abenteuer zu erleben, die er danach pünktlich für West zu digitalisieren hat: „You have some pretty exciting episodes in your memory banks.“ Doch das genügt West nicht – er will mehr und zwar in schnellerer Abfolge. Als es Corly deshalb eines Tages reicht, seine Flirts ständig für West unterbrechen zu müssen, „polt“ er den Computer mittels einee speziellen Punchcard um: „Now professor, I‘m gonna change you from AC to DC and maybe you‘ll leave me alone.“ Dass die sprachliche Engführung von AC und DC eben noch eine Zweitbedeutung hat, wird schnell klar: West lässt Corly danach nämlich keineswegs „alone“, sondern beginnt mit ihm zu flirten und als dieser seine homosexuellen Ansinnen ablehnt, generiert West eine Armee von „dream girls“, die Corly sexuell überfallen.

Nichts als Sex im Kopf

Corly weiß sich allerdings zu helfen: Durch das Zerreißen der Punchcards, auf denen die „Wunschvorstellungen“ für diese Mädchen codiert wurden, verschwinden nun auch die Mädchen selbst. Corly verlässt das Labor, nicht ohne West für immer in den Speicherbänken einzusperren und trifft sich mit einer seiner Studentinnen, die vom Aussehen her seinem eigenen „dream girl“ schon sehr nahe kommt (und von der selben Schauspielerin gespielt wird). Damit sie jedoch all seine Träume erfüllt, muss sie auch Attribute aus seinen Kindheitsvorstellungen aufweisen. Als ihr Häschen-Ohren und ein Puschelschwänzchen wachsen, hat Corly alles, was er immer haben wollte.

Computer "Dream Girl" & Real-Dream-Girl "Agnes Turnbull"

Sex (schematische Darstellung in Stop Motion)

Herschell Gordon Lewis, sonst nicht gerade für optische Zurückhaltung bekannt, hat in „How to make a Doll“ ebenso wie die „Goldfoot“-Filme auf allzu detaillierte Frauen-Anatomie verzichtet und sich stattdessen mehr auf Bikini-Slapstick und optische Metaphorik beschieden. So wird die Impotenz Corlys durch zweimaliges Abschneiden seiner Krawatte (mit der er bezeichnenderweise in der Tür zum mütterlichen Haus stecken bleibt, als er dieses verlassen will) versinnbildlicht. Und auch als es im Labor „zur Sache“ geht, fügt Lewis anstelle eindeutiger Aktionen lieber zweideutige Technikbilder ein: Ein Bleistift, der in einen Spitzer gesteckt wird; ein Stecker, der in eine Steckdose gesteckt wird; eine Schraube, die sich nach und nach in eine Mutter dreht. Dass er für den Geschlechtsakt hier ausschließlich „Plugin“-Bilder aus der Technik-Sphäre wählt, ist bezeichnend für Text und Subtext des Films.

Natürlich sind die computergenerierten Mädchen wieder einmal nur ein Zerrbild der sexuellen Wunschvorstellungen ihrer Schöpfer und natürlich wenden sie sich daher auch gegen sie (hier: durch allzu große Libido, etwas, das auch im Roboter-Pornofilm häufig als Funktionsstörung inszeniert wird). Ihre Fixierung auf „den Einen“ ist vorprogrammiert: Die erste Kreation weigert sich mit den Worten „I am sorry, Sir. I am programmed to love only Dr. Corly.“ jemand anderem als diesem zu Liebesdiensten zu stehen. Ob sie hingegen zurück-geliebt werden, ist ihnen egal; die Gegenseitigkeit wirklicher Liebe geht ihnen ab, weil sie nicht codiert wurde. Eine Vorlage von Lewis‘ Drehbuch könnte das ab Mitte der 60er-Jahre stark um sich greifende Computer-Dating gewesen sein, mit dem sich vor allem Studenten über die ganzen USA hinweg von Maschinen verkuppeln ließen.

The "Light Cavalry": An Army of Dream Girls

Die Firma IBM, deren Computer maßgeblich hinter den Dating-Verfahren standen, ist auch bei Lewis im Bild: Der Punchcard-Writer ebenso wie eine Magnetband-Speichereinheit sind mit dem Firmenlogo beschriftet. Ansonsten ist die in „How to make a Doll“ ausgestellte Technik allerdings eher die einer Wunsch-Maschine (im nicht Deleuz’schen Sinne): eine Mischung aus Frankensteins knisternden Funken-Generatoren (in stilisierter Busen-Form), Disco-typisch bunt leuchtenden Bildschirmen und allerlei Drehreglern und Knöpfen an Wand-Konsolen. Ob man sich 1968 wirklich so einen „super computer“ vorgestellt hat, oder ob auch hier eher der Wunsch Vater der Vorstellung war – nämlich der Wunsch nach einem Computer, der selbst schon das erotische Bild abgibt, für dessen Generierung er erst entworfen wurde -, ist fraglich.

Wunsch-Maschinen in Wunsch-Form

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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