Cyberdarwinismus in der Gangsterworld

Robotworld – Rebellion der Maschinen (Gangsterworld, USA 1998, David Bishop) (DVD)

Dass der von epiX in der Reihe „Twilight Classics“ herausgebrachte Film „Robotworld“ mit seinem eigentlichen Titel „Gangsterworld“ offensichtlich an „Westworld“ und „Futureworld“ anknüpfen wollte, wird schon nach wenigen Einstellungen des Films klar: Ein futuristischer Themenpark mit Robotern, in dem alle Arten von Verbrecher-Halbwelten simuliert werden, damit Menschen darin ihre zerstörerischen Triebe ausleben können, floriert weltweit. Und seither soll die reale Verbrechensrate markant gesunken sein, wie es der Hintergrundgedanke des Park-Erfinders war: Denn was man im Virtuellen erlebt, muss im Realen nicht mehr ausgelebt werden. Schöne Science Fiction …

Aber eben nicht ganz so schön, denn aufgrund eines Programmierfehlers – oder ist es ein Kurzschluss? – wird kurz nach dem Auswechseln dreier Roboter (die reichlich sadistisch von Park-Mitarbeitern bei vollem Bewusstsein in einer Art Säurebad aufgelöst werden) entsteht durch Zufall ein neues Modell, dass die drei Roboter-Gesetze des Parks abgewandelt zu seinem Ethos macht:

  1. Thou shalt obey every guest’s wish.
  2. Thou shalt be true to your programm.
  3. Thou shalt not kill.

Bei der Rekonstruktion des neuen Roboters wird das dritte Gebot leicht abgewandelt in: „Thou shalt kill.“ Derartig moralisch und physisch ausgestattet beginnt der Roboter nun Jagd auf einen der Programmierer von „Gansterworld“ zu machen. Es gelingt ihm zwar nicht, ihn zu fassen, doch seine Kollegin zu entführen. Also muss der menschliche Held gegen die Maschine antreten und bekommt bald mit, dass die Fronten gar nicht so klar zwischen Roboter und Mensch verlaufen. Denn ein mysteröser „Kingpin“ hat den Roboter auf den Programmierer angesetzt. „Kingpin“, so stellt sich bald heraus, ist der Deckname des Betriebssystems „Donald 2000“, das in Kürze gegen das Update „Donald 3000“ ausgetauscht werden soll. Das gefällt dem Computerprogramm gar nicht und so versucht es zuerst den Programmierer des Updates zu töten und sich schließlich ins Datennetz zu flüchten (was der Programmierer schlüssig als „Cyberdarwinismus“ erkennt).

Das interessanteste, wenngleich ebenso übernommene Konzept des Films ist die Theorie der zwei Welten: der Roboter-Park und die Lebenswelt außerhalb – sowie der Versuch beider Gattungen (eigentlich sind es 1,5 Gattungen, denn die Roboter bestehen zu 49,5 % aus menschlichem Gewebe), in der jeweils fremden Welt leben zu können (darauf zielt dann sogar die Pointe des Films). Man fühlt sich ein wenig an Dr. Moriati und das Holodeck aus „Star Trek TNG“ erinnert, wenn man die perfekt simulierte Film-noir-Welt von „Gangsterworld“ sieht. Das Themenpark-Konzept ist hier noch ausgereifter als in „Westworld“, weil sich auch die Filmoptik und der gesamte Erzählduktus dem Gangsterfilm angepasst haben: Der Film wird ohnehin in der Rückschau der Hauptfigur aus dem Off kommentiert, die schattigen, Sepia gefäbten Bilder der Halbwelt (in der es Straßennamen wie „Hawks Street“ und „Preminger Street“ gibt) leisten das ihre, um das Noir-Feeling für Zuschauer und „Gangsterworld“-Besucher authentisch zu machen.

Die zahlreichen Anleihen aus „Terminator“, „Westworld“, „2001“, „I, Robot“ und nicht wenigen anderen Techno-Dystopien werden vom Film großzügig als ironische Zitate verkleidet und sind deshalb auch eher amüsant als ärgerlich. Vom bildschirmfüllenden Computer-Auge über den nackt einher stampfenden Roboter-Mann, der nach einem zu terminierenden Menschen sucht („Sind Sie Garland Widmark?“) bis hin zu schon beinahe albernen Zitaten (der Sicherheitsmann Alan Houston wird von seinem Chef über die Robo-Revolte mit den Worten „Houston, wir haben ein Problem!“ informiert) reichen diese Allusionen und Zitate. Originell wird der Film dadurch kaum, aber immerhin zu einem unterhaltsamen Zitateratespiel.

Leider leidet er sehr unter seiner stümperhaften deutschen Synchronisation – zum Glück ist der englische O-Ton aber mit auf der DVD. Deren Anschaffung empfehle ich Roboter-Interessierten, zumal zum günstigen Preis, ebenso wie Liebhabern einigermaßen intelligent komponierter Science-Fiction-Hommagen.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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