»Ein Ritual des Blutes und der Elektrizität«

A.I. – Artificial Intelligence (USA 2001, Steven Spielberg) (DVD)

Eigentlich müsste der Film „Artificial Emotions“ heißen, denn wenn es in Spielbergs Dyaden-Drama um Intelligent geht, dann eher um sozial-emotionale. Der neuartige Kinder-Roboter David wird auf die kürzlich verwaiste Monica geprägt. Als der totgeglaubte richtige Sohn Monicas jedoch aus dem Koma erwacht, entspinnt sich eine Konkurrenz zwischen den etwa gleichalten Jungs, die dazu führt, dass David in Ungnade bei seinen Zieheltern fällt. Nun ist er zwar ein Roboter, aber einer, der – anders als D.A.R.Y.L. – von vornherein derartig lebensecht wirkt, dass sich die Eltern nicht überwinden können, ihn verschrotten zu lassen und ihn stattdessen im Wald aussetzen. Dort schließt sich David einer Horde freilebender Blechkameraden an und hat nur ein Ziel: Er sucht die Blaue Fee aus dem Pinocchio-Märchen, um ein richtiger Junge zu werden und die Liebe seiner Mutter zurück zu gewinnen. Das gelingt ihm erst nach tausenden Jahren, als Monica und alle anderen Menschen längst von der Erde verschwunden sind: Ein paar Aliens, die um Davids Glück besorgt sind, holen Monica für einen Tag ins Leben zurück und lassen für ihn endlich den dyadischen Mutter-Kind-Traum wahr werden.

Ein ins Mark gehender Film über Familienprobleme und kindliche Bindungsängste. Spielberg dekliniert in A.I. also das Thema vieler seiner Filme ein weiteres mal durch. Und der Roboter dient hier einmal mehr als Platzhalter für so etwas wie Hypermenschlichkeit, denn er ist nicht in der Lage die Trennung zu überwinden und hat nur die Rückgewinnung seines Liebesobjektes im Sinn. Dass damit ein zentrales anthropologisches Phänomen via Science Fiction auf das Mensch-Maschine-Verhältnis appliziert wird, macht A.I. besonders interessant für mich. Lupenrein bildet der Film die Probleme dieser Beziehung ab und wirft die Frage danach auf, wo denn eigentlich der unterschied zwischen „Orga“ und „Mecha“ ist, wenn Emotionen und Aussehen so echt simuliert werden, dass selbst der Simulierende nichts davon weiß. Das Fanal, das einige Menschen mit den frei herum laufenden Robotern feiern (paradoxerweise nennen sie es „Das Fleischfest“) forciert diese Fragestellung nur noch. Denn als David an der Reihe ist, auf recht mittelalterliche Weise hingerichtet zu werden und Todesangst zeigt, entwickelt das Circus-Publikum eine derartige Empathie zu dem Roboterjungen, dass es anstelle seiner den Veranstalter des Rituals steinigt.

1-13-03

Sehr interessant ist auch der von Jude Law gespielte Liebesroboter „Gigolo Joe“, der aufgrund eines Eifersuchtskomplotts zur Flucht aus seinem ansonsten wohl als sehr befriedigend erlebten Berufsleben gezwungen wird. Sein Metier sind sexuelle Dienstleistungen, zu denen auch der kunstvolle Einsatz verführerischer Sprache gehört. Arbeitet David das Thema „Liebe“ auf der metaphysischen Ebene durch, mit dem Erkenntnisziel, dass er erst Fleisch werden muss um geliebt werden zu können, so verhält es sich bei Joe genau anders herum: Er erkennt schnell, dass er nicht für das, was er ist, sondern für das, was er tut, geliebt wird und kurz vor seinem Ende bittet er David allen Frauen von ihm zu erzählen, damit er nicht vergessen wird.

Dumm nur, dass David kurz nach dem Gespräch in einen zweitausendjährigen Untersee-Schlaf fällt und die einzige Frau, der er danach begegnet, seine Mutter ist. Und der erzählt man als etwa 10-jähriger freilich nicht von den erotischen Vorzügen der schon erwachsenen Kumpels.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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