Zu Hause im Vektor-Universum

Starfight (The Last Starfighter, USA 1984, Nick Castle) (VHS)

Wie ich gerade sehe, ist für nächstes Jahr offenbar ein Remake von „Starfight“ angekündigt, bei dem Castle ebenfalls Regie führt. Ein Grund mehr, sich diesen besonderen Film noch einmal zu Gemüt geführt zu haben.

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Wie alle Computer-Filme erzählt auch „Starfight“ zwei Geschichten: eine von Menschen und eine von Maschinen. Die erste handelt vom Teenager Alex, der in einer Wohnwagen-Siedlung lebt, aus der er alsbald fortgehen möchte, um etwas in der Welt zu erleben. Die Widrigkeiten des Alltags und die Ängstlichkeit seiner Freundin halten ihn jedoch zurück. Alex ist Hobby-Automatenspieler und beim Videospiel „The Last Starfighter“, das in der Wagenburg steht, kaum zu schlagen. Eines Abends erreicht er sogar den High Score und wird von allen Anwohnern dafür bejubelt.

In derselben Nacht landet ein seltsames Gefährt in der Nähe, dessen Fahrer nach Alex sucht. Er nimmt ihn mit zu den Sternen, während ein Double seine Stelle in der Siedlung einnimmt. Alex entdeckt, dass sowohl die Namen und Planeten des Videospiels als auch dessen Hintergrundgeschichte real sind, ja, dass das Spiel offenbar als Rekrutierungsmittel auf die Erde gebracht wurde. Alex findet sich in einem intergalaktischen Krieg wieder, an dessen Front er als Starfighter kämpfen soll. Er hat jedoch Angst und lässt sich zurück zur Erde bringen, während die Armada der Starfighter durch einen Spion vernichtet wird. Alex, als „The Last Starfighter“, ist nun auch auf der Erde nicht mehr sicher und entschließt sich kurzerhand, doch für die Gute Sache zu kämpfen.

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Die zweite Geschichte erzählt von der Jugend und ihren Problemen, zu denen vor allem gehört, dass man die Welt der Kindheit loslassen muss. Das Spielzeug hat man als Relikt anzusehen, das nun gegen die Selbstsorge, sexuelle Interessen und den beruflichen Werdegang eingetauscht werden soll. Doch im Zeitalter der Homecomputer ist es nicht mehr so leicht, das Spielzeug als bloßes Kinderspiel abzutun. Firmen wie Atari, Nintendo und Coleco erwirtschaften mit Videospielen schon in den 1980er-Jahren Unsummen und lassen eine ganz neue Branche entstehen. Warum also soll Videospielen kein Beruf oder keine Bestimmung sein? Für Alex wird es eine, denn mit „The Last Starfighter“ findet er die Lösung gleich zweier Probleme: Es hilft ihm (im Wortsinne) aus dem Alltag zu fliehen und nimmt ihm die Entscheidung ab, sich einen Lebensweg zu erarbeiten.

Dass ihm beides leicht fällt, liegt an der mimetischen Ähnlichkeit zwischen Alex‘ Videospiel-Welt und der „Weltraum-Welt“, in die er entführt wird. Der Trick, mit dem der Film diese Ähnlichkeit dem Zuschauer glaubwürdig macht, ist gleichermaßen unbewusst wie genial: Alle Szenen, die außerhalb der Erde spielen, sind Computer-Animationen. „Starfight“ ist überhaupt einer der ersten Filme, der CGI in größerem Maße einsetzt. Dass Alex beim Kampftraining im Raumschiff also feststellt: „Das ist wie zu Hause!“ ist daher mehr als verständlich, weil er mit „zu Hause“ eben die Grafik und Bedienung des Videospiel-Automaten meint.

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Abermals ist es also die behauptete Spiel-Grafik, die die Immersion – nun jedoch in umgekehrter Reihenfolge – erst ermöglicht: Alex „lebt in einem Videospiel“ und das gelingt ihm nur, weil er ein Videospieler ist. Wer den Film zur Zeit seines Erscheinens gesehen hat, wird sich vielleicht noch daran erinnern, wie verblüffend die Computer-Animationen damals gewirkt haben. Vektorgrafiken mit realistischen Lichteffekten, flüssigen Animationen und das gleich minutenlang! Ich habe Alex damals um seinen Videospielautomaten beneidet, denn meine Version von „The Last Starfighter“ auf dem Atari 800 XL sah reichlich anders aus.

Das Spiel, das Alex spielt, ist also bereits ein Ausweis für seine futuristische Herkunft gewesen: Die Grafik war „ihrer Zeit weit voraus“ – wie es eben Science Fiction manchmal sind. Dass auch hier die Realität die Fiktion (fast gleichzeitig) eingeholt hat, steht auf einem anderen Blatt – passt aber zum Thema (es gab hier genügend Beispiele für die Verknüpfung von Krieg und Spiel im Film).

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Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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