HASSLIEBE

Night of the Hunter (USA 1955, Charles Laughton) (DVD)

Was für ein ungewöhnlicher Film! 11 Jahre nach „Arsenic and Old Lace“ erscheint mit „Night of the Hunter“ in etwa das genaue Gegenteil: Ein Witwenmörder, der sich im Auftrag Gottes und der gerechten Sache sieht, es – anders als die alten Ladies bei Capra – aber auch auf das Geld seiner Opfer abgesehen hat, gerät an die Frau eines jüngst wegen Raubüberfalls und Mordes hingerichteten Zellengenossen, von dem er erfährt, dass seine Beute versteckt bei ihm zuhause ist. Er beginnt also erneut mit seinem „Witwenschütteln“, hat dieses mal jedoch auch die beiden Waisen als Ziel, denn sie wissen, wo das Geld versteckt ist.

Ich habe den Film im Zusammenhang mit einer Artikel-Recherche zur Destruktion von Privatsphäre als Motiv im Nachkriegskino gesehen, für das er ein exzellentes Beispiel ist. Recht schnell bin ich aber von meiner Fährte abgelenkt worden und in den ästhetischen Bann von „Night of the Hunter“ geraten. Was den Film so ungewöhnlich macht, ist die Tatsache, dass er sich einerseits nicht davor scheut, Klischees zu inszenieren (man denke nur an die Tierbilder, die allegorisch durch das Bild ziehen, als die Kinder den Fluss hinabrudern), andererseits diese Naivität der Bildsprache aber auch eine ungeheure Suggestivität mit sich bringt, weil sie so ehrlich wirkt. Laughton streut immer wieder Stereotype in seinen Film ein, die man aus anderen Zusammenhängen zu kennen meint, bewirkt damit aber keineswegs die Suche nach dem Ursprung des Zitats oder der Allusion, sondern bricht vielmehr sein Kriminalstück auf diese Weise auf, um es zu einem Beispiel von Bildsprache jenseits der Worte werden zu lassen. Drei Kader habe ich mal stellvertretend als Beispiele hierfür aus dem Film kopiert:

Was mir noch sehr positiv auffiel, ist die Tatsache, dass auch in diesem Horrorfilm gesungen wird. Die Gesangseinlagen fügen sich, ganz wie in „Wicker Man“ in den Plot ein, indem sie ihn metaphorisch ergänzen und zusammenfassen. Das ambivalente Verhältnis zur christlichen Religion (das beide Filme für mich besitzen), wird durch die Verwendung zumeist christlichen Liedgutes in „Night of the Hunter“ noch kontrapunktisch unterstrichen: Wie verlogen wirkt das Schlaflied mit seinem hervorstechenden „Leaning“-Refrain? Aber noch gruseliger wird es im Duett kurz vor Ende, als die Pflegemutter den vom Killer ausgelassenen Teil „Leaning on Jesus“ singend ergänzt.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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