telling li(v)es

Big Fish (USA 2003, Tim Burton) (Blu-ray)

Die Kino-Märchen, die wiederum aus Miniaturen ihrer selbst bestehen (von „Eternal Sunshine of a spotless Mind“ über „Pan’s Labyrinth“ bis hin zu „The Fall“ – siehe Beitrag hier drüber), sind mir noch die liebsten. Das liegt nicht nur daran, dass ich diese mise-en-abymes immer wieder gern als Strukturverdopplungen und -reflexionen lese, sondern auch daran, dass sich hier – zumindest in allen genannten Beispielen – immer auch „Wahrheiten über Wahrheiten“ finden, die den Modus des Märchens transzendieren und es zu einer filmischen Abhandlung über unsere Sicht auf uns selbst und die Welt werden lassen.

In „Big Fish“ ist dieses Motiv, das der Lebenslüge und des Lebensmärchens, zentrales Thema. Ich habe den Film seinerzeit schon mit bestimmten Überlegungen aus der Narrationspsychologie konfrontiert und diese sehr schlüssig in Burtons vielleicht intimsten Werk wiedergefunden. Bei der Sichtung der Blu-ray-Disc ist mir das jetzt wieder sofort auf- bzw. eingefallen. Aber noch mehr: Dass das Pathos, das zum Ende hin aus der Wiederannäherung zwischen Vater und Sohn erwächst, über allen melodramatischen Familien-Kitsch hinaus vor allem (und zumindest bei mir) aus einer Selbsterkenntnis herrührt. Die Distanzierung zwischen Vater und Sohn findet ja nicht bloß deshalb statt, weil sich der Sohn belogen und übergangen fühlt, sondern, weil sich Anteile seiner eigenen Lebenslügenproduktion quasi zur Übergröße verzerrt in seinem Vater spiegeln, was er erst am Ende des Films (an)erkennt.

Sich selbst als Lebenslügner (und so gesehen sind wir das alle!) erkennen zu können, die kognitive Dissonanz nicht zu vermeiden, sondern sie auszuhalten, kann da schon etwas Kathartisches haben: Es ist ein Gefühl, das zugelassen werden will und Kinomärchen wie „Big Fish“ sind seine Katalysatoren.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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