Acacia (Süd Korea 2003, Park Ki-Hyung) (DVD)
„Acacia“ steht mit einem Bein in der tradition des ost-asiatischen Geisterfilms, in welchem Kindergeister immer wieder als Mahnung für begangenes Unrecht der Erwachsenen erscheinen („Ringu“, „Ju-On“, …). Mit dem anderen Bein – und das ist das formalästhetische – fußt Parks Film tief in der Tradition des europäischen und amerikansichen Böse-Kind-Film. Er erzählt die Geschichte eines kleinen Jungen, der von einem kinderlosen Paar adoptiert wird, sich jedoch nicht so recht in die Familie integrieren will. Sein einziger wirklicher Freund ist eine blätterlose Akazie, die im Garten des Hauses steht und von der der Junge glaubt, sie sei seine wirkliche, verstorbene Mutter. Als das Adoptivelternpaar ein eigenes Kind bekommt, wird der Junge mehr und mehr ausgegrenzt und läuft schließlich eines Nachts davon.

Die zweite Hälfte des Films verrät jedoch, dass er keineswegs davon gelaufen ist, sondern das dies lediglich eine Lüge der Erwachsenen darstellt: Als er des Nachts zum Akazienbäum läuft und seine Pflegemutter ihm folgt und den Baum fällen will, kommt es zu einem Unfall, in dessen Verlauf der Junge stirbt. Sein Adoptivvater vergräbt ihn unter dem Baum, welcher tags darauf anfängt Blätter und Blüten auszutreiben und jeden am Mord beteiligten, der sich ihm nähert, zu vergiften. Die Wahrheit über die Geschichte offenbart sich erst im Schluss des Films; ab der Hälfte ist die gesamte Ästhetik von „Acacia“ dazu eingespannt, Bilder der Lüge zu produzieren, die uns die Sichtweise der verwaisten Eltern plausibel machen sollen.

„Acacia“ erzählt nicht nur in einem für das Sujet unglaublich ruhigen Tempo und setzt dabei voll auf seine Darsteller. Der Film besticht durch eine visuelle Erzählweise, wie sie nur selten in derartig konzentrierter Form zu finden sein dürfte: Schwenks, Fahrten, Zooms, Montage, Filter und etliche andere Elemente arbeiten konsequent mit an der Bilderverschwörung, die uns die psychischen Zustände der Protagonisten einerseits, die Unzuverlässigkeit des Erzählens andererseits transportiert. Ein besseres Filmbeispiel als dieses für visuell unzuverlässiges Erzählen im Film könnte ich für meine Übung im kommenden Semester kaum finden.




