Der Ritus (Riten, Schweden 1969, Ingmar Bergman) (DVD)
"Der Ritus" war mein erster Bergman-Film, sicherlich kein typisches Werk für den schwedischen Regisseur, aber dennoch eines, in dem seine Verknüpfung psychologischer und philosophischer Motive am deutlichsten hervortritt.
Die Situation, der Plot, nimmt sich aus, wie in einer Erzählung von Franz Kafka: Drei Darsteller sind wegen eines nicht benannten "Sittlichkeitsvergehens" angeklagt und müssen einem Untersuchungsrichter Rede und Antwort stehen. Sie sind sich keiner Schuld bewusst und die Fragen des Richter zielen viel weniger auf das inkriminierte Theaterstück ab, als auf das Privatleben und die Einstellungen der drei ab. Immer mehr rückt der Richter jedoch selbst ins Zentrum des Geschehens, wird zusehends aus der Rolle des Souveränen in die des Gejagten, Geschlagenen und Verachteten gedrängt. In einer privaten Aufführung des verbotenen "Ritus" schließlich kulminiert das Geschehen: Aus den zuvor als fragmentierte Persönlichkeiten geschilderten Darstellern wird eine Einheit; der Richter indes verliert sein Leben, weil er angesichts der Darbietung erstmals erkennt, wie es um ihn und die Welt beschaffen ist.
Der Film entfaltete bereits von der ersten Szene ab eine unglaublich suggestive Kraft. Die Kamera bleibt immer nahe bei den Personen, rückt an sie soweit heran, dass das klaustrophobische Moment der Verhöre voll zutage tritt. Die Musik ist atonal (und vordergründiger als bei "Vargtimmen"), die Ausstattung karg. Die Schauspieler-Figuren sind konturschaft gezeichnet – beinahe Typen, die jede für etwas steht: Die Angst, die Wut, die Rationalität. Alle drei spiegeln sie Facetten ihres Gegenübers, des Richters wider, die nicht miteinander zu vereinen sind. Bergmans Schauspieler wirken unglaublich intesiv, ihr Spiel ist ganz dem Ziel untergeordnet, diese Typik lupenrein wiederzugeben. Glücklicherweise greift Bergman hier auf die "B-Riege" zurück und lässt anstelle von Liv Ullmann, Bibi Andersson, Erland Josephson oder Max von Sydow hier vier der selteneren, "unverbrauchteren" (d.h. weniger mit Zuschauererwartungen aufgeladenen) Mimen aus seinem Ensemble auftreten: Gunnar Björnstrand, Andreas Ek, Erik Hell und Ingrid Thullin. Bergman selbst ist in einer kleinen Nebenrolle zu sehen: Ein Priester, der Hans Winkelmann (Björnstrand) die Beichte abnimmt … der Priester bleibt dabei stumm – angesichts des existenziellen Chaos hat er keine Hilfe anzubieten.
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