Furcht Form Ficken

Aus der Deutschlandfunk-Reihe "Liebe in Zeiten der Virtualität" habe ich heute morgen die Folge "Cool Sex – Pornografie" gehört, in der sich Interviewer Stefan Fuchs mit dem Berliner Sexualwissenschaftler Jakob Pastötter über die Bedeutung der Pornografie in der westlichen Kultur unterhält.

Neben einigen recht interessanten Ausführungen, etwa über die Geschichte und Ästhetik der Schambehaarung (und vor allem ihrer Entfernung), ist seine These interessant, leider jedoch zu wenig begründet und zu oft als Pauschalargument benutzt, der "archaische Charakter" der Sexualität sei der Grund für die vielfältigen Tabus, denen Pornografie und Darstellung von Nacktheit bis heute unterworfen sind. Regelrecht verblüfft war ich allerdings, wie wenig sich Pastötter mit dem von ihm wissenschaftlich untersuchten Pornofilmgenre auskennt.

Zum einen stellt er eine sehr zweifelhafte Genealogie auf, in der er die Filme zwischen 1915 (über die davor schweigt er sich aus) und 1970 in eine Kategorie fasst und konstatiert, dass diese grundsätzlich in schwarzweiß und stumm gedreht wurden (an anderer Stelle bezeichnet er die filmtechnischen Möglichkeiten der 1930er Jahre als den Grund dafür, dass alte Filme so "albern" wirken). Zum anderen behauptet er, dass Pornofilme bis 1970 ausschließlich der "Information" dienten und sich von jungen Männern in Clubs angesehen wurden, um etwas über den weiblichen Körper und die Sexualität herauszufinden. Erst mit dem Aufkommen von Video wäre der erregende Charakter der pornografischen Bilder ins Zentrum des Interesses gerückt. Das ist natürlich alles – nicht nur in seiner Pauschalheit – falsch.

Die Haltung Pastötters dem Film (nicht nur dem pornografischen) Film gegenüber lässt sich sehr gut aus seiner Definition des Begriffs Genre ablesen: "(…) weil man eigentlich dem pornografischen Film viel zu viel Ehre antut, wenn man ihn überhaupt als Film oder als Genre ernst nimmt. Denn die üblichen Kriterien für ein Genre sind ‚gute Unterhaltung‘ oder ’schlechte Unterhaltung‘."

Diese Folge von "Kultur am Sonntagmorgen" kann als MP3 oder RealAudio vom dradio-Server geladen werden.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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9 Antworten zu Furcht Form Ficken

  1. Thomas sagt:

    Ach herrje, ich höre gerade rein – das ist ja der selbe Typ, der vor ein, zwei Jahren dort schon mal in ganz ähnlichem Umfang so einigen Unsinn reden durfte. Auweia.

  2. Thomas sagt:

    Ups, Irrtum meinerseits – das IST ja die Sendung von damals. 🙂

  3. Stefan sagt:

    Genau,

    ich habe nämlich ein neues Jogging-Hörprogramm (nachdem ich sonst immer ganze Alben beim Laufen gehört habe): Ein Song zur Einstimmung, dann einen 30 bis 45 minütigen Wortbeitrag, zum Schluss einen Einheizer für die Sprint-Phase.

    Auf diese Weise kann ich die dutzende auf der Platte liegenden Podcasts und „Kultur am Sonntagmorgen“-Sendungen mal systematisch „abhören“. Und derzeit ist diese Serie von 2003 dran, von der ich leider nicht mehr wusste, welche Folgen ich schon gehört habe und welche nicht. Daher höre ich sie noch mal alle und poste ggf. Replik.

  4. kevin sagt:

    Ich kann seine Thesen durchaus nachvollziehen, ab und an ein bisschen veraltet. Der Stellenwert ist nunmal drastisch gestiegen, da hat der Mann völlig Recht.

  5. DSL sagt:

    Die Ästhetik der Schambehaarung? Naja ich weiss nicht recht.

  6. Verstehe ich nicht so recht? Was gibt es an der Frage zu kritisieren?

  7. jens sagt:

    Schon in den 70ern gab es Pornofilme in Clubs? Das überrascht mich.

  8. Andreas sagt:

    Interessant finde ich die Theorie bzgl. des Sexualgeruchs und der Schamhaare. Vieleicht sollte man die doch nicht abrasieren.

  9. Lars sagt:

    Man kann es auch übertreiben :-)! Aber ab ist immer besser 😉

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