Ich ist ein Anderer

The Hidden (USA 1987, Jack Shoulder)

Irgendwie scheint es, als wären alle Parasitenfilme entweder Rip-Offs
von „Alien“ oder „Shivers“. „The Hidden“ steht jedenfalls deutlich in
der Tradition von letzterem – wenn er dessen „moralischen Konflikt“
auch auf Gebiete jenseits der Sexualität ausdehnt.

Ein
unscheinbarer Geschäftsmann läuft in Hollywood Amok. Nachdem er bereits
mehrere Menschen ermordet, verschiedene teure Sportwagen
gestohlen, sowie Juweliergeschäfte und Banken ausgeraubt hat, stellt
ihn die Polizei. Mit lebensgefährlichen Verletzungen wird er ins
Krankenhaus gebracht. Im Bett neben ihm liegt ein schwer magen- und
herzkranker Mann. Als niemand im Zimmer ist, steht der Amokläufer auf,
beugt sich über seinen Bettnachbarn und ein Wesen, das wie eine
Mischung aus Riesenwurm und Spinne aussieht, verlässt den Körper den
einen Körper und dringt in den anderen ein. Der (vormalige) Amokläufer
bricht daraufhin tot zusammen; der (vormals) Kranke erhebt sich,
verlässt das
Krankenhaus und begibt sich auf einen Raub- und Mordzug durch die Stadt.

Der LAPD schließt sich ein FBI-Agent (Kyle MacLachlan … ich frage
mich, ob Lynch ihn wegen dieser Rolle dann noch einmal für „Twin Peaks“
engagiert hatte) an, der den ständig
körperwechselnden Parasiten schon seit Jahren verfolgt. Er kann ihn
mit einer futuristischen Lichtwaffe töten, jedoch nur, während dieser
den Körper seines toten Wirtes
verlässt. Die Polizei glaubt indes an eine Art „Amok-Seuche“, weil sie
sich nicht erklären kann, warum in so kurzer Zeit derartig viele und
verschiedene Menschen grundlos zu Schwerverbrechern werden. Der Parasit
verfolgt ein bestimmtes Ziel: Er will den Körper des Gouverneurs und
Präsidentschaftskandidaten besiedeln.

Der Parasit und sein Kontrahent sind außerirdischen Ursprungs. Ihre
Jagd hat sie bereits quer durch die Galaxis geführt (während eines
Feuergefechtes tauscht man extraterrestre Anekdoten aus). Während der
böse Parasit sehr „verbrauchenden“ Charakter hat, ist der Parasit im
FBI-Mann hingegen eine Art lebenserhaltender Symbiont (was sich vor
allem in der melodramatischen Schlussszene zeigt). Interessant ist, wie
sich die Bösartigkeit (der deutsche Untertitel von „The Hidden“ lautet
ja „Das unsagbar Böse“) des Parasiten darstellt: Er stiehlt Ferraris,
überfällt Banken und Juweliere, übertritt Geschwindigkeitsbegrenzungen,
giert jungen Frauen nach und hört laute Rockmusik – er ist so eine Art „bewaffneter Extrempubertierender“. Und es ist
keineswegs so, dass diese Elemente willkürlich mit ihm assoziiert wären –
als er in ein Lagerhaus einbricht und eine dort befindliche
Stereoanlage einschaltet, aus der Schlagermusik tönt, zerschlägt er das
Gerät wütend und auch in einem Plattenladen, den er überfällt, sucht er
sich die Kassetten, die er stiehlt, ganz genau aus.

Wir
haben es hier also wieder einmal – wie in „Brain Damage“ und
„Shivers“ mit einem Lust-Parasiten zu tun (wenn auch die PR eine
Mischung aus „Terminator“ – wohl wegen der hübschen Flur-Feuergefechte
– und „Body Snatchers“ – was ganz und gar nicht passt – sehen will).
Der einzige Unterschied zu
den Vorgängern ist, dass „The Hidden“ um einiges martialischer ist.
Schon
allein der Banküberfall im Prolog, der mit einer wahnsinnigen
Schießerei
beginnt und mit einer Verfolgungsjagd durch Fußgängerzonen (in der
sogar Rollstuhlfahrer überfahren werden) endet, zeigt schon zu Beginn,
welch unzweideutiger Natur der Parasit ist. Man kommt nicht umhin, den
Handlungsort (Los Angeles, Hollywood) mit dem Auftauchen des Phänomens
in Verbidung zu bringen. Abermals scheint der Film eine Form westlicher
Dekadenz zu kritisieren, die sich vor allem im lebensverbrauchenden und
extravertierten Stil dieser Stadt zeigt.

Dieser Verdacht lässt sich auch in der Wahl der Wirtskörper
nachverfolgen: Vom unscheinbaren Bankier über den Körper eines Herz- und
Magenkranken (der einen reinen „Notausgang“ für den Paraisten
darstellt) in den Körper einer attraktiven Go-Go-Tänzerin (in dem der
Parasit seine männlichen Triebregungen nun „an sich“ ausleben kann, was
eine herrliche „den-eigenen-Busen-Knet“-Szene deutlich vor Augen führt)
über den Umweg eines Hundekörpers in den Körper eines ranghohen
Polizeioffiziers, der direkt Zugang zum Gouverneur bekommt … in dem
sich der Parasit schließlich einnistet. Dass er dabei „politische
Interessen“ (die Besiedelung und Unterwerfung der Erde) verfolgt,
daraus macht er keinen Hehl. Die extreme Ausformung seines
hemmungslosens Lebensstils soll im Körper des Gouverneurs schließlich
zur politisch legitimierten Praxis gelangen. Dem kann sich nur der
Antagonist, der bereits den ganzen Film über als Verzichts-Typ
inszeniert wird, entgegen stellen.

So gewinnt natürlich das „Gute“ (bzw. das „Moralische“) in Form des
„FBI-Parasiten“. Und als dieser im Epilog den Körper wechselt, ist es
auch kein unappetitliches Mischwesen, sondern ein goldener Lichtstrahl
– Sinnbild für das engelhafte „parasitäre Gute“, das sich damit
fortpflanzen soll. Der Parasit als Metapher für moralische Prinzipien –
das hat schon fast Lehrfilmcharakter.

P.S. Die frappierende Ähnlichkeit zu „Man in Black“ fällt mir erst jetzt, wo ich diesen Text schreibe, auf. 🙂

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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