Honeymoon Killers (USA 1970, Leomard Kastle) (DVD)
Am Dienstag habe ich die Neuveröffentlichung dieses Serienmörderfilms
als Presse-DVD bekommen und Donnerstag Abend endlich gesehen.
Die Criterion-Scheibe hatte ich zwar schon vorher, doch bislang keine
große Lust, den Film in der OF zu schauen. Ein direkter Vergleich
beider
DVDs zeigt zudem, dass die MC-One wenigstens genauso gut aussieht und
genauso ungekürzt ist (eine aus der ersten dt. Fassung entfernte
Gewalt-Szene ist im Originalton mit Untertiteln eingefügt). Leider gibt
es keinerleich erwähnenswertes Zusatzmaterial. (Auf der Criterion ist
ein langes Interview zwischen Robert Fischer und Leonard Kastle und ein
ausführlicher Essay zum Film.) Aber bevor
ich mich jetzt noch weiter in die Untiefen der Editionsfilmologie (:-D)
begebe …
Äußerst
unspektakulär vergehen die ersten 3/4 des Films. Von
„Serienmord“ kann keine Rede sein. Das eigenartige Pärchen Raymond und
Martha wird dabei
beobachtet, wie es seinen Beziehungsalltag zwischen Heiratsschwindel
(er) und Eifersucht (sie) organisiert. Damit etabliert der Film auch
schon gleich einen „Grund“ aus dem heraus die Morde (im Film werden 4
der 20 Morden inszeniert) stattfinden: Für Martha, die dabei
wesentlich martialischer und gefühlskälter verfährt als Ray, geht es
darum,
Nebenbuhlerinnen aus dem Weg zu räumen. So ist es in der Plotlogik dann
auch konsequent, dass sie ihren Mann (und sich) bei der Polizei
denunziert, als sie erfährt, dass mehr als nur „Geldgier“ bei Ray im
Spiel war: das letzte Opfer erwartet ein Kind von ihm. Eine ehrliche
Beziehung scheint Martha nicht möglich.
In „Wirklichkeit“, so ist es sowohl in den Gerichtsverhandlungen als
auch in der zeitgenössischen Berichterstattung übermittelt, waren die
Morde eine Möglichkeit, die Spuren zu verwischen. Dass der Film hier
ein „romantisches Motiv“ vorschiebt, verdeutlicht, wie notwendig dieses
1970 noch als Schema für einen Filmplot war – die Täterbiografie und ihre
inhärente psycho(-)logische Struktur reicht nicht aus, um einen Filmplot
daraus zu entwickeln. Zudem dürfte ein solches Vorgehen wohl auch den
Vorwurf des Selbstzweckhaften nach sich gezogen haben: Kohäsion durch
Morde … das wäre zu zynisch (gewesen).
Der Film, das ist überall zu lesen, sei nach der Philosophie des „cinéma vérité“
gedreht: Keine vorher festgesetzte Logik, getragen von der
Improvisation der Darsteller, gefilmt aus äußerster ideologischer und
technologischer Distanz (ohne Mittel der Verfremdung oder Verstärkung).
Das ist natürlich Unsinn. Allein dass der Film langweilig ist und
„authentisch“ wirkt, macht in noch nicht zum cinéma vérité. Dass dieser
Verdacht durch die Rezeptionsgeschichte des Films gegeistert ist (und
schließlich sogar auf dem Cover der deutschen DVD abgedruckt wurde),
scheint mir vielmehr mit der bewusst unspektakulär gehaltenen
Erzählposition und dem eigenartigen Rhythmus der Narration zu tun zu
haben. Mit diesen wird der Rahmen eines klassischen Melodrams nämlich
aufgebrochen. Ob hier ein Spiel mit der Erwartungshaltung der Zuschauer
vorliegt, vermag ich nicht zu schätzen.



