Die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln

Forced Entry (USA 1973, Shaun Costello) (DVD)

In ihrer gelungenen Studie über die „pornotopischen Techniken des Betrachtens“ analogisiert Linda Hetschel den Körper der Frau als offenen/unabgeschlossenen/unabschließbaren Raum mit dem Haus und leitet die Rolle der Frau als „Hüterin des Hauses“ anthropologisch dadurch her, dass die Frau in einen abschließbaren Raum (eben: das Haus) verbracht werden muss, um ihre grundsätzliche „Offenheit“ zu schützen. Für das Motiv der „Home Invasion“, das sich im Porno-Horrorfilm als „Forced Entry“ eingeschrieben hat, ergeben sich daraus einige erhellende Schlussfolgerungen.

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Costellos recht schonungsloser Filmer erzählt die Geschichte eines Vietnam-Veteranen, der, aus dem Krieg zurückgekehrt, als Tankwart arbeitet und sich auf diese Weise die Adressen von Frauen erschleicht, der er dann bis in ihre Wohnungen verfolgt und vergewaltigt. „Forced Entry“ erzählt im „typischen“ Dreischritt drei solcher Übergriffe, von denen zwei mit der Ermordung der Vergewaltigungsopfer enden. Während der Taten, ja schon während er das erste Mal auf die Opfer trifft und diese dann verfolgt, werden immer wieder schwarz-weiße Cut-ins von Kriegsszenen eingeblendet, die die Verwirrung des Mannes erklären sollen. Die Motive, die sich während der Vergewaltigungen durch das, was der Täter sagt, offenbaren, sollen ebenfalls darauf hindeuten, dass er „Rache“ an der Gesellschaft übt, die für den Krieg verantwortlich ist, sein Trauma nicht akzeptieren will oder schlicht und ergreifend gar nicht wahrnimmt, was es bedeutet, Veteran zu sein.

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Die krankhafte Psyche des Täters soll sich auch in dessen Sexualpraktiken offenbaren – die ersten beiden Opfer werden oral und anal vergewaltigt (der Film faket letzteres jedoch, wie er selbst in einigen Close-ups freimütig „zugibt“). Die dritte Episode dreht den Spieß schließlich um und vollzieht dabei wieder genau dieselbe Wende von Gewaltpornografie zu Gewolltpornografie, die sich schon bei „A dirty Western“ gezeigt hat:

Zwei junge Frauen, die offensichtlich der Hippie-Bewegung angehören und sich beim Trampen kennen lernen, beschließen, die Nacht miteinander zu verbringen (um dann am nächsten Tag zusammen in einer Sexshow zu arbeiten). Zuvor müssen sie jedoch tanken, was sie dem Täter in die Arme treibt. Der bekommt schnell mit, welche Art Frauen das sind und wiederholt mehr und mehr in Rage geratend: „Fucking Hippies coming to my station!“ Auch sie verfolgt er zu ihrem Unterschlupf, beobachtet sie beim lesbischen Liebesspiel, um sie sodann zu überfallen. Dieser Übergriff geht jedoch vollständig nach hinten los, denn die Frauen haben weder Angst vor ihm und seinen Waffen noch sträuben sie sich gegen den sexuellen Übergriff.

Die These, dass Vergewaltigung weniger ein sexuelles Motiv habe als sie ein Ausdruck von Machtausübung darstelle, wird in dieser letzten Szene vollständig bestätigt. Als der Vergewaltiger feststellt, dass die Frauen ihn „wollen“, wird er unsicher, beginnt sich krampfhaft gegen deren Übergriffe zu wehren, bekommt sogar einen hysterischen Anfall und schießt sich schließlich aus Angst selbst in den Kopf.

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(Der suizidale Kopfschuss als finaler „forced entry“)

Costellos Film wirkt einerseits wie ein billiger Vorwand, sexuelle Gewalt filmisch zu (v)erklären, indem das Motiv des Täters quasi gesellschaftlich gedeutet wird: Vergewaltigung als Rache für Kriegstraumata – genügend Belege für diese Haltung liefert der Film, angefangen bei den Beleidigungen, die der Vergewaltiger seinen Opfern angedeihen lässt bis hin zu dem Clash zwischen überdrehter Hippie-Ideologie und heteronormativer Ideologie des des wahnsinnigen WASP-Mannes. Auf der anderen Seite wird der Film den bitteren Beigeschmack der Mentalitätsgeschichte nicht los, denn dieser Konflikt ist ja ein historisches Faktum und der Film von 1973 reagiert mit seinen spezifischen Narrativen darauf.

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(make love – not war)

Vor allem der Darsteller des Vergewaltigers, Harry Reems, den ich bislang nur aus „softeren“ Pornos kannte, leistet hier beträchtliches zum Gelingen des Films. Seine Mimik, die körperliche Präsenz vor allem während der Gewaltdarstellungen wirken überaus authentisch und sind neben der klugen Kameraführung das Hauptmittel zum Erreichen der Atmosphäre des Films.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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