Was ist mit Bob? (What about Bob?, USA 1991, Frank Oz) (SRTL)
Zuerst die Gegenübertragung, dann die vollständige Umkehrung: Der Patient wird immer „normaler“, während der Analytiker durchdreht – eben weil der Patient sich an ihm und seiner Rationalität gesundet. Eine typische Komödien-Konstellation, die sich im Klischee des arroganten, gefühlsarmen, zwanghaft professionellen Psychoanalytikers suhlt (aber eben auch in der „Lachhaftigkeit“ von Zwangs- und Angststörungen des Patienten). Die Umkehrung der Verhältnisse soll die „deformation professionelle“ des Analytikers versinnbildlichen. Die therapeutischen Versatzstücke (etwa die Symbolhaftigkeit aller therapeutischer Anweisungen) sollen als weltfremd desavouiert werden. Aber was, wenn man als Zuschauer nicht mitspielt? Wenn man sich das X nicht für das U vormachen lassen will, weil man einfach nicht in die vulgär-antipsychologische Gesinnung einstimmen will. Dann funktioniert der Film und die Komödie nicht. Dann ist „Was ist mit Bob?“ einfach nur ein beredtes Beispiel für den Antiintellektualismus und Antirationalismus des (vermeintlichen) „common sense“.




Hmmm, ich mag den Film sehr gern und habe ihn auch nicht als antiintellektuell verstanden: Das Problem des Analytikers ist ja nicht, dass er weltfremd ist, sondern selbst hochneurotisch.
Genau. Und warum ist er hochneurotisch? Weil er vom Film als zwanghaft analytisch/rational dargestellt wird. Das wird aber erst klar, als man ihn privat kennen lernt – und zwar in dem Moment, als es ihm gar nicht möglich ist, privat zu sein, weil er von seinem Patienten verfolgt wird. Dieser wiederum wird in seinem „Wahn“ als der Vernünftigere hingestellt, der mit der Familie des Analytikers besser klar kommt als dieser selbst, dessen Problemlösungsstrategien wegen ihrer Pragmatik viel besser funktionieren als die des Analytikers usw.
Die Neurose des Analytikers ist es, mit dem Verstand zu arbeiten. Der Vorwurf des Films ist es, dass er das stets und zu allen Gelegenheiten mit der „kalten“ Rationalität des Psychologen tut. Der Film hat und schürt Angst vor dem Rationalen der Psychologie – das ist ein Klischee, das dir jeder Psychologe als real-existent bestätigen wird (dem man nämlich auch zumeist mit einer Mischung Misstrauen wegen seines nicht ablegbaren „unsichtbaren Kittel“ und Mitleid, weil er ja gar nicht mehr authentisch sein kann, sondern nur noch „meta“, begegnet.)
Ich habe den Film weniger präsent als du, aber es ist doch nicht die Rationalität per se, die da durch den Kakao gezogen wird, sondern das Maß: die Tatsache dass der Analytiker auch im Privatleben, etwa gegenüber seinem Sohn, stets der Therapeut bleibt. Das ist natürlich ein Klischee – aber eines, das in dieser Form über fast jeden Berufsstand kursiert: der Lehrer, Arzt, Beamte, der auch im Privatleben nicht aufhören kann, Lehrer, Arzt oder Beamter zu sein.
Die „kalte“ Rationalität: Das ist ja sowieso ein Thema, über das sich trefflich streiten lässt. Ist es wirklich die Rationalität selbst, die immer kalt bleibt, oder ist sie kalt, weil – wie etwa Adorno mal behauptete – die vermeintlich nackte Rationalität immer noch von zuviel Irrationalität durchdrungen ist?
Es ist die Frage, inweifern Richard Dreyfuss als Analytiker in WAS IST MIT BOB? sich tatsächlich rational ist. Am Ende ist er ja der brodelnde Wahnsinn und auch sonst verhält er sich teilweise ziemlich bescheuert.
Es scheint mir also weniger die Rationalität, die da angegriffen wird, sondern eher das, was da mit Rationalität zugeschüttet wird.