»Finish it.«

The Fountain (USA 2006, Darren Aronofsky) (PV Cinedom, Köln)

Der lang erwartete neue Film Aronofskys scheint umstritten zu sein. Ich war regelrecht begeistert von ihm – vielleicht der beste Film, den ich dieses Jahr im Kino gesehen habe (und das trotz Gondrys "Science of Sleep").

Dabei macht es einem die extrem verschachtelte und auf drei Zeitebenen spielende Erzählung schon nicht leicht: Tom und Izzi sind ein Paar; Izzi leidet an einem inoperablen Gehirntumor und kommt dem Tode näher, während Tom als Bio-Mediziner an einem Medikament forscht, das ihr das Leben retten könnte. Währenddessen verliert er die Bedürfnisse und Ängste seiner Frau zusehends aus den Augen. Als Izzi stirbt, hinterlässt sie ihm einen unfertigen Roman, der von einem Conquistador im 16. Jahrhundert erzählt, welcher in Mexiko auf der Suche nach dem Baum des Lebens ist. In dem Moment, als Izzi stirbt, gelingt Tom mit seinen Experimenten der Durchbruch: Die Rinde eines in Lateinamerika beheimateten Baums lässt nicht nur Tumore schrumpfen, sondern stoppt auch den Alterungsprozess – zu spät für die Rettung Izzis. Also beginnt Tom aus seinen Forschungen und der Lektüre von Izzis unfertigem Buch den Schluss zu ziehen, dass er seine Frau wiederbekommen kann, wenn sich eine alte aztekische Mythologie erfüllt: Der Baum des Lebens muss bis zu einen sterbenden Stern hinauf wachsen, dann kehrt der Verstorbene, durch den der Baum hindurchgewachsen ist, ins Leben zurück. Tom recherchiert und findet eine Samenkapsel des Baumes, die er in Izzis Grab einpflanzt. Nach hunderten Jahren fliegt Tom, mittlerweile durch das von ihm entdeckte Medikament unsterblich geworden, mit einer Art Raumschiff und dem Baum von Izzis Grab zu jenem sterbenden Stern. Dort soll sich die Prophezeiung erfüllen.

Diese auf drei Zeitebenen (16., 21. und 26. Jhd) angesiedelte Erzählung zu entwirren und aus den zahlreichen Wiederholungen und Andeutungen den Plot zu rekonstruieren, ist die Basisarbeit, um zur ethischen Frage des Films vorzudringen: Welches Verhältnis spielt der Tod des Anderen für das Selbst – exemplifiziert an einer Liebesbeziehung. Die Antwort erschöpft sich in Aronofskys Film keineswegs in religiösen Glaubensaspekten, sondern führt zu einer ganz (lebens)praktischen Ethik des "Sterbenlernens". Der narzisstische Drang Toms, am Leben Izzis festzuhalten, offenbart sich nach und nach als Toms eigene Angst vorm Tod. Indem die relativ kurzfristige Zeitspanne eines menschlichen Lebens im Film überschritten werden und aus "kosmischer Perspektive" mehr Zeit zur Verfügung steht, lernt Tom den eigentlich tröstenden Sinn metaphysischer und religiöserer Vorstellungen von Tod und Wiedergeburt (Christentum), immerwährender Reinkarnation (Hinduismus) sowie den allen Weltreligionen eigene Paradisvorstellungen. Es sind Tröstungen, die über die Nicht-Erfahrbarkeit des Nichts hinweg helfen sollen und die gleichzeitig die in dieser Hinsicht existierende Selbstähnlichkeit aller biologischen Systeme betonen.

Aronofsky führt diese "Lehre" in zwar pathetischen aber keineswegs kitischigen Bildern vor. Seine Liebesgeschichte ist anrührend und authentisch – obwohl sie in derart wirklichkeitsfernen Sphären angesiedelt ist (das macht den Film vergleichbar mit Soderberghs "Solaris"). Die vertrackte Montage und der tolle Soundtrack (eingespielt – wie treffend! – vom Kronos-Quartet) leisten ein Übriges, um aus "The Fountain" ein sehr intensives Filmerlebnis werden zu lassen.

Über Stefan Höltgen

siehe: http://about.me/hoeltgen
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