Ed Gein (USA 2000, Chuck Parello) (DVD)
Die (fast) ganze Wahrheit will der Film erzählen. Und nahezu mimetisch hält er sich auch an das, was in zahlreichen Berichten und Artikeln über den Fall zu lesen ist, baut selbst noch das kleinste Detail ("Rollschuhlaufen") in Nebenhandlungen und -sätze ein. Doch dann irgendwann beginnt das Kino die Oberhand zu gewinnen, es beginnt zu zeigen/behaupten, was eigentlich verborgen/Spekulation ist. "Ed Gein" ist genau wie Ed Gein keine Anhäufung von faktischen, historischen Wahrheiten, sondern von Mythen. Der erzählerische "Kitt", mit dem die Fakten zusammen gehalten werden und von dem sie erzählerische Koheränz erhalten, sind genau jene kleinen Spekulationen, mit denen Serienmörderfilme sich immer wieder in Fälle "einmischen", sie verstehbar zu machen versuchen oder einfach nur ihre Sicht der Dinge in den Diskurs einbringen. Dort, wo der Film vom Bekannten abweicht (etwa in der Änderung des Namens von "Bernice Worden" in "Colette Marshall") – dort öffnet sich dann wirklich auf einmal das Grauenhafte der Faktizität. Dass dieser (wirkliche) Name nämlich ein Tabu ist, wie es nur die Wirklichkeit einfordern kann, ist zurückzuführen auf die außerfilmische Realität, die nicht die "Story" hinter dem Fall Gein sieht, sondern das Schicksal des Opfers Bernice Worden … ein Schicksal, das Pietät herbei zwingt, zum Schweigen auffordert und sich durch keinen noch so raffinierten narrativen Trick umgehen lässt. (Die anfänglichen gefakten Dokumentar-Bilder von Geins Verhaftung mit dem im Hintergrund einmal kurz auftauchenden "Worden’s Hardware Store" sind nur ein sehr kläglicher Versuch, den Film doch auch noch diesen Aspekt der Historie kannibalisieren zu lassen.)



