A Tale of two Sisters (Süd Korea, Ji-woon Kim) (DVD)
Der Film erzählt zwei Geschichten: Die eine handelt von den Schwestern Soo-mi und Soo-yeon, die nach dem Tod ihrer Mutter, in dessen Folge sie psychisch schwer erkrankt waren, nun ins Elternhaus zurück kehren, in dem der Vater mit einer neuen Frau lebt. Während sich Soo-yeon immer weiter in sich zurückzieht, revoltiert Soo-mi gegen die neuen familiären Verhältnisse. Sie ist entrüstet darüber, dass es den Vater offenbar nicht interessiert, wie die neue Stiefmutter sie, vor allem aber ihre wehrlose Schwester quält und schlägt. Der Konflikt kulminiert darin, dass die Stiefmutter, die selbst Psychopharmaka einnimmt, beide Mädchen ermordet.
Die andere Geschichte, die "Tale of two Sisters" erzählt, handelt von Soo-mi, die jeden Bezug zur Realität verloren hat. Schwer traumatisiert ist sie Insassin einer Psychiatrie, nachdem sie am selben Tag ihre Schwester Soo-yeon und ihre Mutter verloren hat. Letztere hat sich das Leben genommen, weil ihr Mann sie mit einer Ärztin (seiner Kollegin), die auch immer öfter bei der Familie im Haus weilt, betrogen hat. Soo-yeon entdeckt die Leiche der Mutter in ihrem Kleiderschrank, versucht sie herauszuziehen, der Schrank fällt um und begräbt das Mädchen unter sich. Anstatt ihr zu Hilfe zu kommen beginnt Soo-mi einen Streit mit der Nebenbuhlerin der Mutter und rennt aus dem Haus.
Der Clou des Films ist es, dass er beide Geschichten gleichzeitig erzählt. Mit optisch unglaublicher Finesse reiht Drehbuchautor und Regisseur Kim ein Indiz an das andere. Am Ende offenbart sich, dass jede Facette des Films ein Puzzlestück zur Rekonstruktion der wahren Geschichte gewesen ist. Wir erleben die Ereignisse aus der Perspektive Mädchens (darauf deutet schon der Prolog hin, in dem ein Psychiater Soo-mi bittet zu erzählen, woran sie sich erinnert – wohl gemerkt: nicht, was sie weiß), die die Ereignisse der Vergangenheit so umkomponiert, dass ihre Mitschuld am Tod der Schwester negiert wird.
Hierzu spaltet sie sich selbst in vier Personen auf – überträgt jede Facette des Dramas auf ein der beteiligten Figuren: Ihre Hilflosigkeit auf den Vater, ihre Wut auf die Stiefmutter und ihre Angst auf die Schwester – sie selbst steht nun als Zeugin in der Mitte dieser Konstellation und katalysiert die Ereignisse. Doch nach und nach passen die Fragmente der Erzählung immer weniger zusammen, werden Fragen aufgeworfen, die unbeantwortet bleiben, werden Erinnerungen als falsch entlarvt. Die Geschichte, die im Modus der "Normalität des Grauens" (eben der zerfallenden Familie) erzählt wurde, wechselt nun zu einem Modus des "Grauens der Normalität", in dem der Tod geliebter Menschen verarbeitet werden muss.
"A Tale of two Sisters" ist einer der dichtesten und ausgeklügelsten koreanischen Filme, die ich kenne. Von der intensiven Darstellung über die teils berauschenden, teils bedrohlichen Bilder bis hin zum Soundtrack, der geschickt klassische Motive und Arrangements mit sinistren Tönen eines typischen Horrofilmsoundtracks kombiniert, stimmt bei dem Film einfach alles. Es gibt unendlich viele Entdeckungen zu machen und eigentlich wird nie recht klar, wann der Horrorfilm (den wir gern sehen würden) in das Psychogramm (das wir mitzuerleben gezwungen werden) umschlägt – eines ist jedoch sicher: Der Film ist eine Herausforderung auf jeder Ebene und bleibt es auch beim wiederholten sehen.
Die deutsche DVD, die demnächst von e-m-s erscheint, ist in Bild und Ton tadellos aufbereitet, verfügt aber leider über keinerlei Zusatzmaterial.





Eine hochinteressante Interpretation, die aber meines Erachtens kleine zumindest diskutierbare Probleme aufwirft:
1. Wenn die Stiefmutter beide Töchter umgebracht haben soll (Was in der Szene wo sie die schwere Statue (Im übrigen hält sich der Engel die Augen zu, vielleicht auch ein Hinweis?) auf Su-mi niederschmettert, angedeutet wird), dann ergibt sich in der chronologischen Ordnung der Szenen ein Problem. Diese Szene sitzt naemlich vor der Entlarvung das Su-mi = Stiefmutter ist.
2. In der ersten Geschichte nimmt also die Stiefmutter Psychopharmaka ein. In der zweiten wird aber deutlich gezeigt das Su-mi die Psychopharmaka einnimmmt. Also sicher stellen sich auch dort wieder Widersprüche ein.
Im Übrigen gibt es seit Anfang 2006 eine e-m-s – DoppelDVD mit jeder Menge Zusatzmaterial, das auch durch verschiedene Regisseurkommentare seine Sicht der Dinge Präsentiert die zugegeben auch logisch erscheinen.
Zu guter Letzt möchte ich meine Begeisterung darüber mitteilen, dass sie bei ihrer Interpretation auf Su-mi als Katalysator eingehen. Der Gedanke war mir auch so in etwa gekommen, allerdings wurde ich durch Interpretationen anderer Personen manipuliert, vor allem in der Frage „Wer lebt in dem Haus eigentlich?“
Ich habe mich mit einem Psychologiedozenten unterhalten und er war der Meinung es gäbe durchaus in der Psychoanalyse einen Ansatz wo man sich zu einer Rückerinnerung ein Haus und dessen Einrichtung bauen sollte. Dies erscheint mir ein willkommener Ansatz, denn wenn ich bei meinem 5 maligen sehen des Films richtig hingesehen habe, steht z.B. der Schrank, der ja eine elementare Rolle spielt, nicht immer im selben Zimmer. Einmal steht er in der Küche, sonst auch oft in dem Zimmer der kleinen Schwester, und einmal da wo eigentlich der Durchgang zum Esszimmer ist.
Alles in allem sehr komplex der Film, falls sie in eine Interpretationsunterhaltung stürzen möchten, stehe ich gerne zur Verfügung, denn ich nehme an das gegenseitige Befruchtung bei so einem Film eine Menge bringt.